Eros und Evolution
Paarungsangelegenheiten zu assistieren. Etwas Ähnliches scheint bei Delphinen vor sich zu gehen, über deren Geschlechtsleben man erst in jüngster Zeit Erkenntnisse gewinnen konnte. Dank der Arbeiten von Richard Connor, Rachel Smolker und deren Kollegen wissen wir heute, daß Gruppen von Delphinmännchen einzelne Weibchen entführen, jagen, sie mit akrobatischen Choreographien umwerben und sich dann mit ihnen paaren. Sobald das Weibchen geworfen hat, verlieren die Männchen das Interesse an ihm, und es kann in eine Gruppe von Weibchen zurückkehren. Solche männlichen Bündnisse existieren häufig nur vorübergehend und bestehen auf einer »Eine-Hand-wäscht-die-andere«-Grundlage. 36
Je intelligenter die Art und je flexibler ihre Bündnisse, um so weniger wird ein ehrgeiziges Männchen durch seine tatsächliche Stärke limitiert. Delphine und Schimpansen dürfen zwar nicht schwach sein, um eine Machtposition zu erringen, aber sie können sich sehr stark auf ihre Fähigkeit verlassen, erfolgreiche männliche Koalitionen zu bilden. Beim Menschen schließlich besteht überhaupt keine Korrelation mehr zwischen Stärke und Macht – jedenfalls nicht mehr seit der Erfindung von Waffen mit größerer Reichweite, wie zum Beispiel Steinschleudern, was Goliath am eigenen Leib erfahren mußte. Wohlstand, List, politische Fertigkeiten und Erfahrung führen zur Macht über andere. Von Hannibal bis zu Bill Clinton errangen Menschen Macht durch den Zusammenschluß von Verbündeten. Im Falle des Menschen hat Reichtum sich als eine Möglichkeit erwiesen, solche Allianzen zu schaffen. Bei anderen Tieren liegt der Lohn hierfür auf sexuellem Gebiet. Und beim Menschen?
Herrschergeschlechter
Ende der siebziger Jahre beschloß die kalifornische Anthropologin Mildred Dickemann, den Versuch zu unternehmen, einige Überlegungen Darwins auf die menschliche Geschichte und Kultur anzuwenden.
Sie wollte einfach feststellen, ob die Art von Vorhersagen, die Evolutionsbiologen im Hinblick auf andere Tiere treffen, sich auch für den Menschen treffen lassen. Sie stellte fest, daß sich in den stark geschichteten orientalischen Gesellschaften der Frühgeschichte die Menschen offenbar genau so verhielten, wie man es erwarten würde, wenn ihr Ziel darin bestünde, so viele Nachkommen zu hinterlassen wie irgend möglich. Mit anderen Worten: Männer strebten nach polygamen Verhältnissen, während Frauen danach trachteten, sich mit Männern eines höheren Sozialstatus zu verheiraten. Sie fügte hinzu, daß viele Bräuche dabei sehr genau ins Bild passen: Mitgift, Kindesmord an Mädchen, klösterliche Abgeschiedenheit für Frauen, durch die ihre Jungfräulichkeit unversehrt gehalten werden sollte. In Indien praktizierten zum Beispiel höhere Kasten häufiger den Kindesmord an Mädchen als niedere Kasten, denn für sie bestand eine geringere Chance, ihre Töchter in höhere Kasten einheiraten zu lassen. Mit anderen Worten: Ehe war ein Handel – männliche Macht und männliches Einkommen gegen weibliches Reproduktionspotential. 37
Ungefähr zur gleichen Zeit, als Dickemann ihre Studien unternahm, begann John Härtung von der Harvard University, sich für die Verteilung von Hinterlassenschaften zu interessieren. Er ging von der Hypothese aus, daß ein reicher Mann (oder eine reiche Frau) in einer polygamen Gesellschaft sein Vermögen eher einem Sohn hinterlassen würde als einer Tochter, weil ein reicher Sohn ihm mehr Enkel einbringen könne als eine reiche Tochter. Denn der Sohn kann mit verschiedenen Frauen Kinder haben, während die Tochter die mögliche Zahl ihrer Kinder auch mit vielen Ehemännern nicht erhöhen kann. Je polygamer eine Gesellschaft, um so größer also die Wahrscheinlichkeit für eine Verteilung des Erbes zugunsten des Mannes. Aus einer Übersicht über vierhundert verschiedene Gemeinschaften ergab sich eine imposante Unterstützung für diese Hypothese. 38
Natürlich beweist das gar nichts. Es könnte reiner Zufall sein, daß evolutionstheoretische Argumente vorhersagen, was tatsächlich geschieht.
Unter Wissenschaftlern kursiert diesbezüglich die warnende Anekdote von einem Mann, der zur Überprüfung seiner Theorie, daß sich beim Floh die Ohren an den Beinen befänden, diesem alle Beine entfernte.
Dann forderte er den Floh auf, zu springen, und als dieser das nicht tat, zog er daraus den Schluß, seine Theorie sei richtig: Die Ohren des Flohs befinden sich an den Beinen.
Gleichwohl hatte schon Darwin begonnen, darüber
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