Eros und Evolution
Polygamie im alten China oder die gerontokratische Polygamie, die bei einigen heute lebenden australischen Ureinwohnern herrscht, in der die Männer viele Jahre darauf warten, heiraten zu dürfen, und sich dann im Greisenalter riesiger Harems erfreuen.
Falls dem so ist, dann ist der »Geschlechtstrieb«, den wir alle (anerkanntermaßen) in uns verspüren, vielleicht sehr viel spezifischer, als uns klar ist. Angesichts der Tatsache, daß Männer ihren Fortpflanzungserfolg durch das Eingehen mehrerer Beziehungen erhöhen können, Frauen hingegen nicht, sollte man annehmen, daß männliches Verhalten grundsätzlich darauf angelegt ist, jede sich bietende Gelegenheit zu polygamem Verhalten bereitwillig auszunutzen, und daß männliches Handeln in mancher Hinsicht nichts anderes zum Ziel hat.
Bei den Evolutionsbiologen herrscht weitgehende Übereinstimmung darüber, daß die meisten unserer Vorfahren im Pleistozän (den zwei Millionen Jahren menschlicher Existenz vor der Entwicklung landwirtschaftlicher Kulturen) in Verhältnissen lebten, die nur gelegentlich polygam waren. Heute lebende Jäger-und-Sammler-Gemeinschaften unterscheiden sich nicht wesentlich von modernen westlichen Kulturen.
Die meisten Männer leben monogam, viele sind untreu, und einige wenige schaffen es, polygam zu leben, im Extremfall mit bis zu fünf Frauen. Bei den Aka, einem Pygmäenstamm in der Republik Zentralafrika, die in den Wäldern mit Netzen auf die Jagd gehen, haben fünfzehn Prozent der Männer mehr als eine Frau, ein typisches Muster für eine Lebensgemeinschaft, in der Nahrung gesucht werden muß. 29 Einer der Gründe, weshalb die Lebensform der Jäger und Sammler nur ein geringes Maß an Polygamie begünstigt, besteht darin, daß Glück für den Jagderfolg eine mindestens ebenso große Rolle spielt wie Geschicklichkeit. Auch der beste Jäger kehrt häufig mit leeren Händen zurück und muß sich dann darauf verlassen, daß seine Jagdgenossen mit ihm teilen, was sie erbeutet haben. Diese Form der gerechten Aufteilung erlegter Beute ist ein Merkmal dieser Gemeinschaften (bei den meisten anderen jagenden Spezies steht die Beute allen zur Verfügung) und bietet ein gutes Beispiel für »reziproken Altruismus«, auf den sich gelegentlich das Sozialgefüge insgesamt zu gründen scheint. Ein erfolgreicher Jäger erlegt mehr, als er selbst essen kann, daher verliert er wenig, wenn er die Beute mit seinen Genossen teilt; er gewinnt damit sogar eine Menge, denn wenn er beim nächsten Mal weniger Glück hat, wird ihm von denen, mit denen er geteilt hat, dieselbe Gunst erwiesen. Ein solcher Austausch von Gefälligkeiten war der Ururahn moderner Geldwirtschaft. Da Fleisch sich nicht lagern ließ und Glück nie von Dauer war, konnte es in Jäger-Sammler-Gemeinschaften nicht zur Anhäufung von Reichtümern kommen. 30
Mit der Einführung des Ackerbaus ergab sich für manche Männer schlagartig die Gelegenheit zur Polygamie. Durch die Landwirtschaft hatte ein Mann die Möglichkeit, einen Überschuß an Nahrungsmitteln – sei es nun Getreide oder Vieh – zu erwirtschaften, sich damit die Arbeitskraft anderer Männer zu erkaufen und damit sehr viel mächtiger zu werden als seine Zeitgenossen. Die Arbeitskraft wiederum gab ihm Gelegenheit, seinen Nahrungsmittelüberschuß weiter zu erhöhen. Zum erstenmal war Reichsein der beste Weg, noch reicher zu werden. Daß ein Bauer mehr erntet als sein Nachbar, ist nicht in demselben Maße vom Glück abhängig wie der Jagderfolg eines Mannes. Die Landwirtschaft machte es dem besten Bauern im Trupp plötzlich möglich, nicht nur den größten Nahrungsvorrat zu horten, sondern konnte ihm auch dazu verhelfen, den verläßlichsten Nachschub zu haben. Er war nicht darauf angewiesen, diesen mit anderen zu teilen, denn er bedurfte keiner gegenseitigen Gefälligkeit. Beim Volk der //Gana San in Namibia, die im Gegensatz zu den benachbarten Kung San das Jägerleben zugunsten des Ackerbaus aufgegeben haben, gibt es innerhalb eines Trupps sehr viel weniger Bereitschaft zum Teilen und sehr viel mehr politische Dominanz. Nunmehr konnte ein Mann durch den Besitz der besten und größten Felder, durch härtere Arbeit, durch einen zusätzlichen Ochsen oder durch die Beherrschung eines seltenen Handwerks zehnmal so reich werden wie sein Nachbar. Demzufolge konnte er entsprechend mehr Frauen erwerben. In einfachen Agrargesellschaften findet man häufig Harems mit bis zu hundert Frauen. 31
Hirtengemeinschaften leben nahezu
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