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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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zu spekulieren, ob sich die menschliche Historie nicht durch einen evolutionären Lichtstrahl erhellen ließe. Mitte der achtziger Jahre machte sich Laura Betzig daran, die Annahme zu überprüfen, Menschen seien in sexueller Hinsieht jeder möglichen Situation angepaßt. Sie hatte wenig Hoffnung auf Erfolg, kam aber zu dem Schluß, der beste Weg, eine solche Aussage zu testen, bestehe in einem einfachen Postulat: Unter diesen Umständen dürften Männer Macht nicht als Selbstzweck betrachten, sondern müßten sie als Mittel zu sexuellem und reproduktivem Erfolg einsetzen. Ein kurzer Blick in die Gegenwart schien nicht sehr ermutigend: Von Hitler bis zum Papst waren und sind die mächtigsten Männer häufig kinderlos.
    Ihr Ehrgeiz nimmt sie so in Anspruch, daß ihnen keine Zeit für Abenteuer bleibt. 39
    Als sie sich jedoch daran machte, die Geschichtsschreibung zu studieren, machte sie eine verblüffende Entdeckung. Ihre vereinfachende Vorhersage wurde wieder und wieder bestätigt. Sie versagte lediglich in der westlichen Geschichte der letzten paar Jahrhunderte. Und nicht nur das: In den meisten polygamen Gesellschaften gab es ausgeklügelte soziale Mechanismen, die sicherstellen sollten, daß ein mächtiger Polygamist einen polygamen Erben hinterließ.
    Die sechs voneinander unabhängigen Kulturen der Frühgeschichte – Babylon, Ägypten, Indien, China, die Azteken und die Inkas – waren in der Tat bemerkenswert, weniger ihrer Kultiviertheit wegen, als wegen ihrer ungeheuren Machtkonzentration. Jede von ihnen wurde von Männern regiert, jeweils nur von einem, und dessen Macht war willkürlich und uneingeschränkt. Diese Männer waren Despoten, das heißt, sie konnten ihre Untergebenen ohne Furcht vor Vergeltung töten. Diese enorme Machtfülle wurde ohne eine einzige Ausnahme grundsätzlich in ungeheure sexuelle Produktivität umgesetzt. Dem babylonischen König Hammurabi standen Tausende von versklavten »Ehefrauen« zur Verfügung. Der ägyptische Pharao Akhenaten unterhielt dreihundertsiebzehn Konkubinen und »Herden« von Gemahlinnen. Der Aztekenherrscher Montezuma erfreute sich eines Besitzes von viertausend Konkubinen. Der indische Herrscher Udayama hielt sich sechstausend Gattinnen in von Eunuchen bewachten Häusern, die mit einem Ring aus Feuer geschützt waren. Der chinesische Kaiser Fei-ti hatte in seinem Harem zehntausend Frauen. Und die Inkas, wir hörten es bereits, hielten sich im ganzen Königreich Jungfrauen auf Vorrat.
    Diese sechs Herrscher, jeder von ihnen ein typisches Exemplar, seinen Vorgängern und Nachfolgern zum Verwechseln ähnlich, verfügten nicht nur über Harems von ähnlicher Größe, sie bedienten sich auch ähnlicher Techniken, um diese zu füllen und zu bewachen. Sie nahmen nur junge Frauen (meist bereits vor dem Einsetzen der Menstruation) und hielten sie in einer geschützten Festung ohne jede Fluchtmöglichkeit.
    Sie ließen sie von Eunuchen bewachen, verwöhnten sie und erwarteten von ihnen, daß sie Kinder zur Welt brachten. Häufig ergriff man Maßnahmen, um die Fruchtbarkeit eines Harems zu erhöhen. Ammen, die den Frauen das Stillen abnahmen und damit das Wiedereinsetzen der Ovulation beschleunigten, gab es mindestens seit Hammurabis Gesetzgebung, das heißt seit dem achtzehnten Jahrhundert vor Christus: Sie werden bereits in sumerischen Wiegenliedern besungen. Die chinesischen Kaiser der Tang-Dynastie führten sorgfältig Buch über die Daten von Menstruation und Empfängnisbereitschaft im Harem, um sicherzugehen, daß sie wirklich nur die fruchtbarsten Geliebten auswählten. Von chinesischen Kaisern wurde zudem erwartet, mit ihrem Samen sorgsam umzugehen, um das Soll von mindestens zwei Frauen pro Tag erfüllen zu können, manch einer soll sich sogar über die Last seiner sexuellen Verpflichtungen beklagt haben. Harems hätten kaum sorgsamer geplant sein können, wären sie Brutapparate gewesen, die der Ausbreitung fürstlicher Gene dienten. 40
    Die Herrscher waren jedoch keine Ausnahmen. Laura Betzig untersuchte einhundertvier politisch autonome Sozialsysteme und stellte fest, daß »in beinahe allen Fällen die Machtfülle eines Mannes auf dessen Haremsgröße schließen läßt«. 41 Kleine Könige hatten hundert Frauen in ihren Harem, große Könige tausend und Kaiser fünftausend. Die traditionelle Geschichtsschreibung möchte uns glauben machen, solche Harems seien nur einer von vielen Vorzügen, die den erfolgreich die Macht anstrebenden Mann zusammen mit anderen

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