Eros und Evolution
Operation, die das Aussehen eines Mannes verbessert, erhöht seine Chance für einen Seitensprung um hundert Prozent. Je attraktiver ein Mann, um so weniger aufmerksam ist er als Vater. Nahezu jedes dritte Kind, das in Westeuropa geboren wird, stammt aus einer außerehelichen Beziehung.
Wenn diese Fakten Sie erschüttern oder wenn Sie sich weigern, sie zu glauben – fassen Sie sich. Diese Studie wurde nicht an Menschen unternommen. Sie bezieht sich auf Schwalben, jene unschuldigen, zwitschernden Vögel mit den langen gegabelten Schwänzen, die in den Sommermonaten um Scheunen und Äcker ihre Pirouetten fliegen. Menschen sind ganz anders als Schwalben. Oder nicht? 1
Ehe als Zwangshandlung
Die Harems antiker Despoten künden davon, daß Männer durchaus in der Lage sind, jede sich bietende Gelegenheit, sozialen Rang in reproduktiven Erfolg umzusetzen, bestmöglich für sich auszunutzen, doch Harems können für den größten Teil der menschlichen Geschichte nicht den Normalfall dargestellt haben. Heutzutage hat man eigentlich nur noch dann eine Chance, Haremsbesitzer und Potentat zu werden, wenn man einen Kult vom Zaun bricht und potentielle Konkubinen einer Gehirnwäsche bezüglich seiner Heiligkeit unterzieht. In vieler Hinsicht leben Menschen heute vermutlich in einem sozialen System, das dem ihrer Jäger-Sammler-Vorfahren eher ähnelt als den Bedingungen unserer Frühgeschichte. Keine Jäger-und-Sammler-Kultur gestattet mehr als gelegentliche Episoden der Polygamie. Die Institution Ehe ist im Grunde ein universelles Phänomen. Heute leben Menschen in größeren Gruppen zusammen als früher, innerhalb dieser Gruppen aber ist die Kernfamilie zentral für das menschliche Leben: ein Mann, seine Frau und beider Kinder. Die Ehe ist eine Institution zur Produktion, Betreuung und Erziehung von Kindern: Überall wo es sie gibt, beteiligt sich der Vater zumindest teilweise an der Aufzucht der Kinder, und sei es nur, indem er die Familie ernährt. In den meisten Gesellschaften streben Männer danach, polygam zu leben, nur wenigen aber ist das vergönnt. Selbst in den polygamen Hirtengemeinschaften sind die meisten Ehen monogame Beziehungen. 2
Es ist unsere – normalerweise gelebte – Monogamie, die uns von anderen Säugetieren, Menschenaffen eingeschlossen, unterscheidet, nicht unsere gelegentliche Polygamie. Von den vier anderen Menschenaffen (Gibbons, Orang-Utans, Gorillas und Schimpansen) verfügen nur Gibbons über etwas Ähnliches wie eine Ehe. Gibbons leben als treue Paare in den Wäldern Südwestasiens, wobei jedes Paar sein Revier allein beherrscht.
Wenn Männer in ihrem Herzen wirklich, wie ich im letzten Kapitel behauptet habe, Gelegenheitspolygamisten sind, wie kommt es dann zur Ehe? Männer sind zwar unbeständig (»Du fürchtest dich vor einer Bindung, nicht wahr?« sagt das typische Opfer eines Verführers), aber sie sind ebensosehr daran interessiert, Frauen zu finden, mit denen sie eine Familie gründen können, und fühlen sich nicht selten trotz ihrer Untreue an diese Frau gebunden (»Gib zu, daß du niemals deine Frau meinetwegen verlassen würdest!« sagt die typische Geliebte).
Diese beiden Ziele widersprechen einander nur deshalb, weil Frauen sich weigern, sich sauber und ordentlich in Ehefrauen und Huren aufteilen zu lassen. Frauen sind nicht ein passives Gut, wie es die Despotenkämpfe des letzten Kapitels glauben machen möchten. Sie sind aktive Gegnerinnen im sexuellen Schachspiel, und sie haben ihre eigenen Ziele. Frauen sind und waren immer weit weniger an polygamen Verhältnissen interessiert als Männer. Das heißt allerdings nicht, daß sie keine sexuellen Opportunisten sind. Die Theorie vom begehrlichen Mann und der keuschen Frau versagt auf der ganzen Linie, wenn es darum geht, eine einfache Frage zu beantworten. Warum sind Frauen jemals untreu?
Der Herodes-Effekt
In den achtziger Jahren erkannte eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen unter Leitung von Sarah Hrdy (inzwischen an der University of California in Davis), daß das Paarungsverhalten weiblicher Schimpansen und anderer Affen auf merkwürdige Weise im Widerspruch zur Trivers-Theorie stand, der zufolge sich aus der Elternschaft, die stark zu Lasten der Weibchen geht, die sorgsame Auswahl des Männchens durch das Weibchen ergeben müßte. Hrdys eigene Untersuchungen an Languren und Meredith Smalls Studien über Makaken schienen eine ganz andere Art von Weibchen zu beschreiben, die sich – in klarem Widerspruch zum erwarteten
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