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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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uns aggressiv gegenüber anderen Gruppen. Mit anderen Worten, wir wären eine städtische Klassengesellschaft auf familiärer Basis mit einem starken Nationalbewußtsein und kriegerischen Bestrebungen. Erwachsene Männer widmeten ihren Bemühungen, innerhalb der politischen Hierarchie aufzusteigen, mehr Zeit als ihren Familien. Sobald wir uns aber der Sexualität zuwenden, sieht plötzlich alles ganz anders aus. Es fängt damit an, daß Männer sich keinen Deut um die Kinderaufzucht scherten, sie zahlten nicht einmal Alimente. Es gäbe grundsätzlich keine ehelichen Bindungen. Die meisten Frauen hätten sexuelle Beziehungen zu den meisten anderen Männern, wenngleich der Top-Mann (lassen Sie ihn uns den Präsidenten nennen) sich das Vorrecht über die meisten fruchtbaren Frauen sichern würde. Sex wäre eine gelegentliche Affäre, der man sich während des weiblichen Östrus in spektakulären Ausschweifungen hingäbe, die aber, wenn die Frau gerade schwanger wäre oder kleinere Kinder großzöge, auch auf Jahre hinaus vergessen sein könnte. Ihre Empfängnisbereitschaft teilte sich jedermann durch ein angeschwollenes, stark rosa gefärbtes Hinterteil mit, das sich für jeden männlichen Betrachter als unwiderstehliche Faszination erwiese. Männer würden versuchen, solche Frauen wochenlang allein zu besitzen, sie dazu drängen, mit ihnen allein herumzuziehen, wären dabei nicht immer erfolgreich und verlören beim Abklingen der Schwellung rasch das Interesse.
    Jared Diamond von der University of California in Los Angeles hat sich in Spekulationen darüber ergangen, welche Auswirkungen dieses Verhalten auf die Gesellschaft haben würde, indem er sich ausmalte, was in einem ganz normalen Büro geschähe, erschiene eine Frau einen Tag lang in unwiderstehlichem Pink zur Arbeit. 10
    Wären wir Zwergschimpansen oder Bonobos, lebten wir in ganz ähnlichen Gruppen wie die Schimpansen, doch gäbe es dann herumstreunende Gruppen dominanter Männchen, die verschiedene Gruppen von Weibchen aufsuchten. Als Folge davon müßten die Weibchen die mögliche Vaterschaft noch weiter ausdehnen, und so ist das Verhalten von Bonoboweibchen als durch und durch nymphoman zu bezeichnen.
    Schon beim kleinsten Wink kommt es zu sexuellen Kontakten in großer Vielfalt (orale und homosexuelle Praktiken eingeschlossen), und die Weibchen sind für die Männchen sehr lange sexuell anziehend. Ein junges Bonoboweibchen, das auf einen Baum trifft, an dem ihre Artgenossen fressen, wird sich zunächst mit jedem anwesenden Männchen (Heranwachsende eingeschlossen) paaren und erst dann zu fressen beginnen. Paarungen erfolgen nicht gänzlich wahllos, aber doch sehr freizügig.
    Ein Gorillaweibchen paart sich etwa zehnmal pro geborenem Jungen, ein Schimpansenweibchen dagegen fünfhundert- bis tausendmal und ein Bonoboweibchen bis zu dreitausendmal. Ein Bonoboweibchen wird kaum jemals von einem benachbarten Männchen angegriffen, wenn es sich mit einem jüngeren Männchen paart: Paarungen erfolgen so häufig, daß sie nicht zwangsläufig etwas mit Zeugung zu tun haben. Bei den Bonobos ist tatsächlich die gesamte Anatomie der Aggression reduziert: Männchen sind genauso groß wie Weibchen, und sie verwenden weniger Energie darauf, in der Hierarchie aufzusteigen, als normale Schimpansen. Die beste Strategie zur genetischen Verewigung besteht für ein Bonobomännchen darin, sein Grünzeug zu fressen, ausgiebig zu schlafen und sich für einen langen Tag voll ausdauernder sexueller Aktivitäten fit zu halten. 11

Uneheliche Vögel
    Verglichen mit unseren Affencousins haben wir, die zahlenmäßig größte Gruppe der großen Affen, uns eines besonderen Tricks bedient. Irgendwie haben wir Monogamie und elterliche Betreuung neu erfunden, ohne dabei das Leben in großen Gruppen mit vielen Männchen aufgegeben zu haben. Ebenso wie Gibbons heiraten Männer einzelne Frauen und helfen ihnen, im Vertrauen auf die eigene Vaterschaft Kinder großzuziehen, aber gleichzeitig leben, wie bei den Schimpansen auch, die Frauen dabei in Gesellschaften, in denen sie ständig Kontakt zu anderen Männern haben. Für das Gesamtmodell gibt es keine Parallele bei den Menschenaffen. Bei Vögeln allerdings kann man etwas sehr Ähnliches beobachten. Viele Vögel leben in Kolonien, verhalten sich innerhalb der Kolonie jedoch monogam. Und diese Parallele aus der Vogelwelt liefert eine völlig andere Erklärung dafür, weshalb Weibchen an sexueller Vielfalt interessiert sein könnten. Eine Frau

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