Eros und Evolution
ist nicht gezwungen, zur Verhinderung von Kindesmord ihre sexuelle Gunst mehreren Männern zukommen zu lassen, möglicherweise hat sie aber gute Gründe dafür, sie mit einem wohlausgewählten zweiten Mann – neben ihrem Ehemann – zu teilen. Und zwar deshalb, weil ihr Ehemann – nahezu zwangsläufig – in der Regel nicht der beste verfügbare Mann ist; hätte er sie sonst geheiratet? Sein Wert besteht darin, daß er monogam ist und daher seinen Einsatz bei der Kindererziehung nicht auf mehrere Familien aufteilen wird. Warum aber seine Gene akzeptieren? Weshalb nicht seine Pflege beanspruchen, aber die Gene von einem anderen Mann nehmen?
Will man das menschliche Paarungssystem beschreiben, kann man sehr schwer präzise Aussagen machen. Menschen sind in ihren Gewohnheiten von ungeheurer Flexibilität, je nach ihrer ethnischen, religiösen, ökonomischen und ökologischen Zugehörigkeit. Dennoch zeichnen sich einige allgemeine Merkmale ab. Erstens: Frauen sind allgemein bestrebt, monogame Ehen einzugehen – selbst in Gesellschaften, in denen Polygamie erlaubt ist. Von seltenen Ausnahmen abgesehen, wählen sie sorgfältig und sind dann darauf aus, einen Mann ein Leben lang für sich zu haben – solange es sich für sie auszahlt –, seine Unterstützung bei der Kindererziehung zu beanspruchen und vielleicht sogar mit ihm zu sterben. Zweitens: Frauen suchen sexuelle Vielfalt nicht per se. Zwar gibt es Ausnahmen, aber sowohl fiktive als auch reale Frauen versichern immer wieder, Nymphomanie stelle für sie keine attraktive Alternative dar, und es besteht kein Grund, an ihren Äußerungen zu zweifeln. Die Verführerin, stets aus auf ein Abenteuer für eine Nacht mit einem Mann, von dem sie nicht einmal den Namen weiß, ist eine von Pornographie genährte Ausgeburt der Phantasie. Lesbierinnen, jeglicher Einschränkungen durch die männliche Natur enthoben, praktizieren keine Promiskuität, sondern sind im Gegenteil bemerkenswert monogam. Nichts von alledem überrascht: Weibliche Tiere gewinnen nur wenig durch sexuellen Opportunismus, denn ihr Fortpflanzungspotential ist nicht durch die Anzahl der Männchen bestimmt, zu denen sie sexuelle Beziehungen haben, sondern dadurch, wie lange sie benötigen, den Nachwuchs auszutragen. In dieser Hinsicht sind Männer und Frauen bemerkenswert verschieden.
Drittens sind Frauen allerdings gelegentlich untreu. Nicht jeder Seitensprung wird von Männern begangen. Auch wenn sie vielleicht niemals Interesse an einer losen sexuellen Beziehung zu einem männlichen Prostituierten oder einem Fremden haben wird, ist eine Frau – im Leben wie im Fernsehen – durchaus in der Lage, eine Affäre mit einem ihr bekannten Mann einzugehen oder zu provozieren, selbst wenn sie zu diesem Zeitpunkt »glücklich« verheiratet ist. Das ist ein Paradoxon, für das drei Lösungsmöglichkeiten denkbar sind. Wir können die Schuld für den Seitensprung dem Mann zuschieben und behaupten, daß die Überredungskünste eines Verführers schließlich auch die standhaftesten Herzen gewinnen. Nennen wir dies die »Gefährliche-Liebschaften«-Erklärung. Oder wir schieben die Schuld der modernen Gesellschaft zu und stellen fest, daß die Frustrationen und die Verworrenheit des modernen Lebens die natürlichen Gegebenheiten auf den Kopf gestellt und die Frauen zu absonderlichen Handlungen hingerissen haben. Nennen wir das die »Dallas«-Erklärung. Oder wir können annehmen, daß es eine gültige biologische Erklärung dafür gibt, wenn eine Frau eine sexuelle Beziehung außerhalb der Ehe sucht, ohne die Ehe dabei abschaffen zu wollen – irgendein weiblicher Instinkt, der Frauen nahelegt, sich einen sexuellen Plan B nicht zu versagen, falls Plan A nicht zur Zufriedenheit läuft. Nennen wir dies die »Emma-Bovary«-Strategie.
Ich werde in diesem Kapitel die Überzeugung vertreten, daß außereheliche Untreue möglicherweise eine große Rolle bei der Gestaltung unserer menschlichen Gesellschaft gespielt hat, da es vielleicht für beide Geschlechter von Vorteil gewesen ist, aus einer monogamen Ehe heraus nach alternativen Geschlechtspartnern zu suchen. Diese Schlußfolgerung gründet sich auf Beobachtungen der menschlichen Gesellschaft, sowohl der modernen als auch der Verhältnisse bei verschiedenen Stämmen, und auf Vergleiche mit Affen und Vögeln. Wenn ich Untreue als eine Kraft beschreibe, die unser Paarungssystem geformt hat, dann »rechtfertige« ich sie damit nicht. Nichts ist natürlicher, als daß
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