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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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SCHÖNHEIT
    Klagt, Mädchen, klagt nicht
Ach und Weh,
Kein Mann bewahrt die Treue,
Am Ufer halb, halb schon zur See
Reizt, lockt sie nun das Neue.
    Shakespeare, Viel Lärm um nichts, 2. Akt, 3. Szene
     
    Derzeit suchen drei verschiedene Arbeitsgruppen amerikanischer Wissenschaftler nach dem »Schwulen-Gen«, einem menschlichen Gen, das dafür verantwortlich sein soll, daß manche Männer homosexuell sind. Alle diese Forscher sind der Ansicht, daß dieses Gen (oder diese Gene) auf dem X-Chromosom liegt, die Sensitivität gegenüber Androgenen (männlichen Hormonen) wie dem Testosteron reguliert und sich bei homosexuellen und heterosexuellen Männern möglicherweise unterscheidet. Sollte sich das bewahrheiten, wird diese Entdeckung viel Wirbel machen.
    Das überzeugendste Indiz für die Existenz eines Schwulen-Gens ist die Tatsache, daß zweieiige Zwillinge, die im selben Mutterleib herangereift und im selben Haushalt aufgewachsen sind, nur mit einer Wahrscheinlichkeit von fünfundzwanzig Prozent beide homosexuell sind, eineiige Zwillinge unter denselben Bedingungen jedoch eine Chance von eins zu eins aufweisen. Wenn einer von beiden homosexuell ist, trifft dies mit einer fünfzigprozentigen Wahrscheinlichkeit auch für dessen Bruder zu.
    Außerdem gibt es Hinweise darauf, daß das Gen von der Mutter stammt und nicht vom Vater. 1
    Wie kann ein solches Gen angesichts der Tatsache, daß Homosexuelle in der Regel keine Kinder haben, überleben? Darauf gibt es zwei mögliche Antworten. Die eine lautet: Das Gen erhöht in demselben Maße, in dem es beim Mann die Fruchtbarkeit einschränkt, die Fruchtbarkeit bei einer Frau. Die zweite Möglichkeit ist spannender. Laurence Hurst und David Haig von der Oxford University sind der Ansicht, das Gen liege vielleicht gar nicht auf dem X-Chromosom. X-Gene sind nicht die einzigen, die nur über die Mutter weitergegeben werden. Auch mitochondriale Gene werden, wie in Kapitel vier beschrieben, auf diese Weise vererbt, und die Hinweise, die dafür sprechen, daß das Gen an eine Region auf dem X-Chromosom gekoppelt ist, sind bislang eher vage. Falls das Schwulen-Gen sich wirklich in den Mitochondrien befände, könnten Hurst und Haig mit einer genetischen Verschwörungstheorie aufwarten. Vielleicht ist das Schwulen-Gen so etwas wie jene »Männchenkiller«-Gene, die man bei vielen Insekten findet. Es sorgt für die effiziente »Sterilisierung« von Männchen und verursacht so eine Umlenkung erblichen Wohlergehens auf Weibchen. Das hätte (zumindest bis vor kurzem) den Reproduktionserfolg der Nachkommen jener weiblichen Verwandten erhöht, so daß sich das Schwulen-Gen hätte ausbreiten können.
    Wenn die sexuellen Präferenzen Homosexueller von einem Gen beeinflußt (wenn auch nicht völlig bestimmt) werden, dann ist es wahrscheinlich, daß dies auch für die sexuellen Präferenzen Heterosexueller gilt. Wenn aber unsere Sexualinstinkte in einem solchen Maße von Genen bestimmt werden, dann muß ihre Evolution durch natürliche und sexuelle Selektion erfolgt sein, und das bedeutet, sie müssen in ihrer Beschaffenheit davon gezeichnet sein. Sie sind angepaßt. Es gibt einen Grund dafür, daß schöne Menschen attraktiv sind. Sie sind es deshalb, weil andere Menschen Gene besitzen, die sie dazu veranlassen, schöne Menschen attraktiv zu finden. Die Menschen haben solche Gene, weil jene, die nach Schönheitskriterien vorgegangen sind, mehr Nachkommen hinterlassen haben als jene, die das nicht getan haben. Schönheit ist kein willkürlicher Begriff. Die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie sind im Begriff, unsere Ansichten über sexuelle Attraktivität zu verändern, denn sie können endlich mit möglichen Erklärungen dafür aufwarten, weshalb wir manche Geschöpfe schön finden und andere häßlich.

Schönheit als Allgemeingut
    Botticellis Venus und Michelangelos David werden beide als schön empfunden. Würden jedoch ein Jäger-Sammler aus dem Neolithikum, ein Japaner oder ein Inuit dem zustimmen? Werden unsere Enkel zustimmen? Ist sexuelle Attraktivität abhängig von der Mode und vergänglich, oder ist sie dauerhaft und unerschütterlich?
    Wir alle wissen, wie überkommen und schlicht unattraktiv sich die Mode von vor zehn Jahren in unseren Augen ausnimmt, ganz zu schweigen von der vor hundert Jahren. Männer in Wams und Knickerbockern mögen ja auf die eine oder andere Frau noch sexy wirken, Männer in Gehröcken jedoch sicher nicht. Es ist nicht leicht, sich des Eindrucks zu erwehren,

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