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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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stärker unterscheidet als jeder der beiden von seiner jeweiligen Frau. Eigentlich ist das die Grundlage ihrer Wissenschaft, denn die Aufgabe der Anthropologie ist es, die Unterschiede zwischen Völkern zu untersuchen. Dies hat allerdings die Anthropologen auch dazu verführt, die winzigen Unterschiede der verschiedenen Rassen zu übertreiben und die Flut von Ähnlichkeiten dabei zu ignorieren. Männer kämpfen, konkurrieren, lieben, jagen und geben auf der ganzen Welt an. Es stimmt, Buschmänner kämpfen mit Speeren und Stöcken, die Bewohner Chicagos mit Schußwaffen und Prozessen, Buschmänner streben nach dem Häuptlingsposten, die Bewohner von Chicago versuchen zum Abteilungsleiter aufzusteigen.
    Die Themen der Anthropologen – Traditionen, Mythen, Handwerk, Sprache, Rituale – bilden für mich nur die oberste Spitze eines Eisbergs.
    Darunter verborgen sind außerordentlich umfassende Menschheitsthemen, die überall auf der Welt gleich und die charakteristisch männlich und charakteristisch weiblich sind. Für einen Marsianer gliche ein Anthropologe, der sich mit Rassenunterschieden beschäftigt, einem Landwirt, der die Unterschiede zwischen den einzelnen Weizenhalmen auf seinem Acker betrachtet. Der Marsianer interessiert sich mehr für die typische Weizenpflanze. Das wirklich Interessante ist das allgemein Menschliche – es sind nicht die Unterschiede. 43 Eines dieser allgemein menschlichen Dinge ist das sexuelle Rollenverhalten. Edward Wilson drückte es folgendermaßen aus: »In verschiedenen Kulturen sind es die Männer, die handeln und erwerben, während Frauen beschützt und verschachert werden. Söhne stoßen sich die Hörner ab, Töchter laufen Gefahr, ihr Leben zu ruinieren. Wo mit Sex gehandelt wird, sind meist Männer die Käufer.« 44 John Tooby und Leda Cosmides haben ihren Zweifeln an einer kulturbedingten Interpretation dieses allgemeinen Musters sogar noch unverblümter Ausdruck gegeben: »Die Behauptung, ›Kultur‹ könne die menschliche Vielfalt erklären, kann erst dann ernst genommen werden, wenn es Berichte über plündernde Frauen gibt, die Dörfer verwüsten, um Männer gefangenzunehmen, die sie zu Ehemännern machen; wenn Eltern ihre Söhne ins Kloster stecken statt ihrer Töchter, um deren Tugend zu erhalten, oder wenn die Verteilung von Präferenzen hinsichtlich physischer Attraktivität, der Verdienstmöglichkeiten und des relativen Alters in gleich vielen Kulturen in die eine Richtung vorbelastet ist wie in die andere Richtung.« 45
    Es wäre töricht, angesichts der hier erörterten Beweislage das Bestehen geschlechtsspezifischer Unterschiede zu leugnen, es wäre aber nicht weniger töricht, wollte man sie übertreiben. Was Intelligenz betrifft, so gibt es zum Beispiel keinen Grund, anzunehmen, Männer seien dümmer als Frauen oder umgekehrt – aus evolutionärer Sicht gibt es nichts, was dafür spricht, und es gibt keine Ergebnisse, die solches vermuten lassen. Wie bereits erwähnt, gibt es allerdings tatsächlich Befunde, die nahelegen, daß Männer bei abstrakten und räumlich orientierten Aufgabenstellungen besser abschneiden, während Frauen einen Vorsprung bei sprachlichen und sozialen Problemstellungen haben, wodurch die Arbeit eines jeden, der aufgerufen ist, einen geschlechtsneutralen Test zu entwerfen, kolossal erschwert wird. Im Grunde trägt es dazu bei, die alberne Vorstellung von einer einheitlichen Allgemeinintelligenz zu untergraben.
    Die Berufung auf geschlechtsspezifische Unterschiede kann aber auch nicht als Entschuldigung für irgend etwas herhalten. Mit den Worten von Anne Moir und David Jessel: »Wir sprechen das Natürliche nicht heilig, nur weil es die biologische Realität ist. Männer beispielsweise haben eine natürliche Veranlagung zu Mord und Promiskuität, was kein Überlebensrezept für eine intakte Gesellschaft sein kann.« 46 Die Leute scheinen nur allzuleicht den Unterschied zwischen den Worten »ist« und »sollte« zu übersehen. Wenn wir uns dazu entschließen, geschlechtsspezifische Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Verstand durch politische Maßnahmen auszugleichen, dann handeln wir der Natur zuwider – nicht mehr allerdings, als wenn wir Mord per Gesetz verbieten. Uns sollte aber bewußt sein, daß wir damit einen Unterschied ausgleichen und nicht eine neue Identität aufdecken.
    Wunschdenken, beides möchte dasselbe sein, ist reine Augenwischerei und tut beiden Geschlechtern keinen Gefallen.

NEUN
VOM NUTZEN DER

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