Eros und Evolution
konnte, das als schöner betrachtet wurde als jedes einzelne der Gesichter, die zu seiner Herstellung beigetragen hatten. 25 Das Experiment wurde kürzlich mit computerverarbeiteten Fotografien von Studentinnen wiederholt: Das Bild wurde als um so schöner erachtet, je mehr Gesichter dazu beigetragen hatten. 26 Die Gesichter der Fotomodelle auf den Titelseiten von Illustrierten vergißt man sehr leicht. Obgleich man sie tagtäglich zu Gesicht bekommt, erkennt man nur wenige Einzelpersonen. Die Gesichter von Politikern hingegen, die nicht gerade für ihre Schönheit berühmt sind, bleiben weit besser in Erinnerung.
Charaktergesichter sind per definitionem Gesichter, die vom Durchschnitt abweichen. Je durchschnittlicher und je makelloser ein Gesicht, um so schöner ist es, aber um so weniger sagt es etwas über den Charakter seines Besitzers aus.
Dieser Reiz des Mittelmaßes – einer Nase, die weder zu lang ist noch zu kurz, eines Augenpaares, das weder zu dicht beisammen noch zu weit auseinander steht, eines Kinns, das weder fliehend ist noch allzusehr hervorragt, von Lippen, die voll sind, aber nicht zu sehr, von Wangenknochen, die prominent sind, aber nicht zu sehr, eines Gesichts, das dem Durchschnitt entspricht: ovale Form, weder zu lang noch zu breit – zieht sich als Thema weiblicher Schönheit durch die gesamte Literatur. Für mich sieht es so aus, als sei hier der Fisher-Effekt vom attraktiven Sohn – beziehungsweise in diesem Fall von der attraktiven Tochter – am Werk.
Angesichts der eminenten Bedeutung schöner Gesichtszüge läuft ein Mann, der eine häßliche Partnerin wählt, Gefahr, Töchter zu bekommen, die spät heiraten oder die nur zweitklassige Ehemänner finden. Durch die gesamte menschliche Geschichte hindurch haben Männer sich zur Realisierung ihrer Ambitionen des Aussehens ihrer Töchter bedient. In Gesellschaftsformen mit wenig sozialer Beweglichkeit konnte eine ausgesprochene Schönheit stets über ihren eigenen Stand hinaus heiraten. 27 Natürlich erben Frauen ihr Aussehen vom Vater ebenso wie von der Mutter, also sollte auch eine Frau gleichmäßig gestaltete Gesichtszüge bei einem Mann bevorzugen – und das tun die meisten Frauen.
Die einzige Voraussetzung für das Einsetzen des Fisher-Effekts ist die männliche Neigung, ein durchschnittliches Gesicht zu bevorzugen, und schon greift der Selbstläufereffekt: Jeder Mann, der von der durchschnittlichen Vorliebe abweicht, wird weniger oder ärmere Enkelkinder haben, da seine Töchter als unterdurchschnittlich schön gelten werden. Es ist ein grausames Modediktat, eines, das seine erbarmungslose Logik auf Kosten so mancher intelligenten Frau entfaltet, die zufälligerweise nicht so hübsch ist, und eines, das ironischerweise durch den demographischen Übergang zu verordneter Monogamie verschärft wurde. Im Europa des Mittelalters oder im antiken Rom nahmen die Mächtigen alle Schönheiten in ihre Harems und verursachten dadurch eine allgemeine Frauenknappheit für die anderen Männer. Eine häßliche Frau hatte seinerzeit somit eine weit bessere Chance, schließlich einen Mann zu finden, der sie in seiner Verzweiflung heiratete. Das mag nicht sehr gerecht klingen, doch Gerechtigkeit ist nur selten die Folge sexueller Selektion.
Persönlichkeiten
Soviel zum Thema: Was zieht Männer bei Frauen an? Was aber zieht Frauen zu bestimmten Männern? Auch für die männliche Anziehungskraft gilt die Dreieinigkeit von Jugend, Schönheit und Gestalt. Doch sehr vielen Studien zufolge sagen Frauen übereinstimmend aus, ihnen seien diese Faktoren weniger wichtig als Persönlichkeit und Status. Männer stellen die physische Erscheinung einer Frau grundsätzlich allen Erwägungen wie Persönlichkeit und Status voran; Frauen tun dies bei ihrer Abwägung männlicher Qualitäten nicht. 28
Eine einzige Ausnahme ist in diesem Zusammenhang die Körpergröße.
Hochgewachsene Männer werden von Frauen allgemein für attraktiver gehalten als untersetzte. In der Welt der Heiratsvermittlungsagenturen ist das Prinzip, daß ein Mann größer sein muß als seine Partnerin, so universell anerkannt, daß man es auch als »Kardinalprinzip der Partnerwahl« bezeichnet. Bei siebenhundertundzwanzig Anträgen von Ehepaaren zur Eröffnung von Bankkonten { * } war in nur einem Fall die Frau größer als der Mann. Wählte man zufällig aus der Gesamtbevölkerung Paare aus, so käme man zu demselben Ergebnis. Die Leute heiraten »nach Größen sortiert«. Männer
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