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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Verstandesapparats.
    Das Neotenie-Argument bietet allerdings auch einen Vorteil: Es zeigt einen möglichen Grund dafür auf, weshalb Menschenaffen und Paviane dem Menschen auf seinem Weg zu einem immer größeren Gehirn nicht gefolgt sind. Möglicherweise hat die zur Neotenie führende Mutation bei unseren Primaten-Cousins niemals stattgefunden. Oder, was noch interessanter wäre, vielleicht ist die Mutation entstanden, hat aber keine Veranlassung gehabt, sich auszubreiten.

Klatsch und Tratsch
    Weder die »Werkzeugmacher«-Hypothese noch irgendwelche anderen Erklärungen für das Bestehen von Intelligenz vermochten Leute, die sich außerhalb der anthropologischen Diskussion befanden, in nennenswertem Maße zu beeindrucken. Für die meisten Menschen liegt der Vorteil der Entwicklung von Intelligenz auf der Hand: Die zunehmende Intelligenz führte zu einer Verschiebung des Verhältnisses von Lernen und Instinkten zugunsten des Lernens. Dadurch wurde das Verhalten flexibler. Das wiederum wurde durch die Evolution belohnt.
    Wir haben bereits gesehen, wie lückenhaft diese Argumentation ist.
    Lernen ist eine Belastung, die dem Individuum anstelle flexibler Instinkte aufgebürdet wird, und Lernen und Instinkt können keinesfalls als Gegensätze betrachtet werden. Der Mensch ist nicht der »lernende Affe«, sondern er ist ein schlauer Affe, der sich im Vergleich zu seinen nächsten Verwandten durch mehr und stärker von Erfahrungen prägbare Instinkte auszeichnet. Wissenschaftliche Disziplinen, die sich mit solchen Themen beschäftigen, insbesondere die Philosophie, haben diesen logischen Fehler gemeinhin übersehen und der Frage nach der Existenz von Intelligenz merkwürdig wenig Neugier entgegengebracht. Philosophen gehen davon aus, daß Intelligenz und Bewußtsein Vorteile bieten, und widmen sich weiterhin der Debatte darüber, was das Bewußtsein des Menschen ausmacht. Bis Anfang der siebziger Jahre gab es kaum Hinweise darauf, daß man jemals die evolutionsbiologisch zwingende Frage aufgeworfen hatte: Warum sollte Intelligenz eine gute Sache sein?
    Aus diesem Grunde wirkte es ungemein aufrüttelnd, als diese Frage im Jahre 1975 von zwei unabhängig voneinander arbeitenden Zoologen nachdrücklich gestellt wurde. Einer von ihnen war Richard Alexander von der University of Michigan. Der Argumentationsweise der Roten Königin folgend, gab er seiner Skepsis darüber Ausdruck, ob das, was Charles Darwin als die »feindlichen Kräfte der Natur« bezeichnet hatte, für einen intelligenten Geist einen hinreichend herausfordernden Widersacher darstellen würde. Damit soll folgendes gesagt werden: Die Herausforderungen, die durch das Behauen von Steinwerkzeugen oder durch das Sammeln von Beeren und Knollen an den menschlichen Geist gestellt werden, sind mehr oder weniger vorhersagbar. Wenn man Generation für Generation ein Werkzeug aus einem Stein schlägt oder weiß, wo man nach bestimmten Knollen zu suchen hat, dann ist jedesmal dasselbe Niveau von Fertigkeiten gefragt. Mit zunehmender Erfahrung wird beides leichter. (Es verhält sich ein bißchen wie beim Radfahrenlernen: Wenn man weiß, wie es geht, laufen die Bewegungen automatisch ab, die bewußte Anstrengung wird unnötig, und der Ablauf wird ins »Unbewußte« verlagert.) Für den Homo erectus war irgendwann keine bewußte Anstrengung mehr vonnöten, um zu wissen, daß man sich an Zebras stets gegen den Wind heranpirschen sollte, da sie einen sonst wittern, oder daß bestimmte Wurzeln unter bestimmten Bäumen wachsen. Für ihn war das so selbstverständlich wie das Fahrradfahren für uns. Stellen Sie sich vor, Sie spielten Schach gegen einen Computer, der nur einen einzigen Eröffnungszug kennt. Es mag ein guter Zug sein, doch sobald Sie gelernt haben, ihn zu schlagen, können Sie Spiel für Spiel immer denselben Gegenzug machen. Natürlich ist der ganze Witz am Schach, daß Ihr Gegner eine von vielen Möglichkeiten wählen kann, auf Ihren Zug zu reagieren.
    Mit einer solchen Logik gelangte Alexander zu seiner Vermutung, daß das Schlüsselmerkmal der menschlichen Umgebung, durch welches Intelligenz zu einer lohnenswerten Errungenschaft wurde, die Gegenwart anderer Menschen gewesen sein muß. Wenn Ihre Linie Generation um Generation immer intelligenter wird, so werden auch die anderen immer intelligenter. Wie schnell auch immer Sie laufen, Sie bleiben relativ zu den anderen immer am selben Ort. Der Mensch wurde durch seine technischen Fertigkeiten ökologisch dominant,

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