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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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des Empfängers – sein, daß die Botschaft klar, ehrlich und informativ ausfiel. Doch, um mit Lord Macaulay zu sprechen: »Das Ziel der reinen Redekunst ist nicht die Wahrheit, sondern die Überredung.« 42 Im Jahre 1978 legten Richard Dawkins und John Krebs dar, daß Tiere im Prinzip weniger miteinander kommunizieren, um Informationen zu übermitteln, sondern eher, um einander zu manipulieren. Ein Vogel singt laut und betörend, um ein Weibchen zur Paarung oder einen Rivalen zum Verlassen seines Reviers zu überreden.
    Wollte er nur Informationen übermitteln, so bestünde keine Notwendigkeit, den Gesang so ausgefeilt zu gestalten. Kommunikation im Tierreich, so Dawkins und Krebs, hat mehr mit Reklame als mit Flugplänen zu tun. Selbst die wohlgesonnenste Form der Kommunikation, wie die zwischen Mutter und Baby, ist nichts anderes als schiere Manipulation, wie jede Mutter bestätigen kann, die des Nachts von einem verzweifelt klingenden Säugling aus dem Schlaf gerissen wurde, der lediglich unterhalten werden wollte. Als die Wissenschaft begonnen hatte, Dinge auf diese Weise zu sehen, stand das soziale Leben im Tierreich plötzlich in einem ganz anderen Licht da. 43
    Eines der verblüffendsten Indizien für die Rolle der Täuschung im Rahmen der Kommunikation entstammt Experimenten von Leda Cosmides, damals an der Stanford University, und Gerd Gigerenzer und seinen Kollegen aus Salzburg. Es gibt ein einfaches logisches Rätsel, den Wason-Test, bei dessen Lösung Menschen erstaunlich schlecht abschneiden.
    Das Testmaterial besteht aus vier Karten. Jede Karte hat auf einer Seite einen Buchstaben, auf der anderen eine Zahl. Die Karten werden auf den Tisch gelegt, und zwar in der Folge: D; F; 3; 7. Die Aufgabe besteht darin, nur die Karten umzudrehen, mit der sich die folgende Regel bestätigen oder verwerfen läßt: Wenn eine Karte ein D auf der einen Seite trägt, dann lautet die andere Seite 3.
    Bei diesem Test lagen weniger als ein Viertel aller Stanford-Studenten richtig: eine durchschnittliche Leistung. (Die richtige Antwort lautet übrigens D und 7.) Man weiß jedoch seit vielen Jahren, daß der Wason-Test sehr viel besser gelöst wird, wenn man ihn den Leuten in anderer Form präsentiert. Zum Beispiel kann man das Problem folgendermaßen darstellen: »Stell dir vor, du bist Rausschmeißer einer Bar in Boston und du verlierst deinen Job, wenn du nicht folgende Regel durchsetzt: Um in dieser Bar Bier zu trinken, muß man über zwanzig sein.« Jetzt lauten die Karten: Biertrinker, Colatrinker, fünfundzwanzig Jahre alt, sechzehn Jahre alt. Nun liegen drei Viertel aller Studenten mit ihrer Antwort richtig und decken die Karten Biertrinker und sechzehn Jahre alt auf. Das Problem ist jedoch logisch identisch mit dem erstgenannten Problem. Vielleicht hilft den Leuten das etwas vertrautere Umfeld einer Bar, sich besser zurechtzufinden. Andere, ebenso vertraute Beispiele jedoch lassen die Testpersonen nicht besser abschneiden. Das Geheimnis, weshalb manche Wason-Tests leichter zu lösen sind als andere, gehört zu den ewigen Rätseln der Psychologie.
    Cosmides und Gigerenzer aber haben es geschafft, das Rätsel zu lösen.
    Es ist ganz einfach: Wenn die zu beachtende Regel keinen Sozialzusammenhang aufweist, wird das Problem schwer lösbar – wie simpel die zugrundeliegende Logik auch sein mag. Geht es jedoch, wie bei dem Beispiel vom Biertrinken, um einen sozialen Zusammenhang, dann wird es leicht lösbar. In einem der von Gigerenzer unternommenen Experimente konnten die Testpersonen problemlos die Regel anwenden: »Wenn du Rente beanspruchen willst, mußt du zehn Jahre hier gearbeitet haben«, indem sie die Rückseiten der Karten »hat acht Jahre gearbeitet« und »Rente bekommen« aufdeckten – allerdings nur, solange man ihnen erzählte, sie seien der Arbeitgeber. Sobald man ihnen erzählte, sie seien der Arbeitnehmer und sollten dieselbe Regel anwenden, drehten sie die Karten – »hat zwölf Jahre gearbeitet« und »keine Rente bekommen« auf, so als suchten sie nach einem Betrug seitens des Arbeitgebers, obgleich betrügende Arbeitgeber mit der Regel selbst gar nichts zu tun haben.
    Mit langen Versuchsreihen dokumentierten Cosmides und Gigerenzer, daß die Testpersonen diese Puzzles einfach nicht als Teile einer Logik ansahen. Sie behandelten sie wie soziale Zusammenhänge und suchten nach Möglichkeiten zum Betrug. Der menschliche Intellekt, so schlossen sie daraus, ist vielleicht für logische

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