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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Population unterliegt in hohem Maße der Inzucht.« 18
    Williams war der erste, der erkannte, daß den meisten populären Ansichten zur Evolution eine völlig falsche Annahme zugrunde lag und tatsächlich noch immer zugrunde liegt. Die alte Vorstellung von der Evolution als einer Leiter des Fortschritts hält sich noch immer hartnäckig in der teleologischen Betrachtungsweise. Nach dieser Sicht ist die Evolution für eine Art vorteilhaft, weshalb diese daran interessiert sein müßte, den Ablauf der Evolution zu beschleunigen. Und doch ist der Stillstand ein untrügliches Kennzeichen der Evolution – und nicht die Veränderung. Sexualität, die Reparatur von Genen und all jene hochentwickelten Methoden des Aussiebens bei höheren Organismen, die dazu dienen, nur fehlerlose Eier und Spermien als Beitrag zur nächsten Generation zuzulassen – all das sind Maßnahmen, die Veränderungen verhindern. Nicht der Mensch ist der eigentliche Triumph des genetischen Systems, sondern der Quastenflosser, denn er ist seinem Typ seit vielen Millionen Jahren unverändert treu geblieben – trotz endloser Attacken auf die chemischen Verbindungen, aus denen sein Erbgut besteht. Das alte Vikar-von-Bray-Modell der Sexualität als Mittel zur Beschleunigung von Evolution setzt voraus, daß Organismen daran interessiert sind, ihre Mutationsrate möglichst hoch zu halten – denn Mutationen sind die Quelle aller Variabilität – und ein leistungsfähiges System zum Aussieben unbrauchbarer Mutanten zu entwickeln. Aber, so Williams, es gibt bisher keine Hinweise darauf, daß irgendein Lebewesen jemals etwas anderes täte, als seine Mutationsrate so gering wie möglich zu halten. Es strebt nach einer Mutationsrate von Null. Evolution beruht auf der Tatsache, daß es dabei versagt. 19
    Die Tangled-Bank-Theorie funktioniert mathematisch gesehen nur dann, wenn es einen hinreichenden Vorteil dafür gibt, anders zu sein.
    Das Risiko: Was sich in einer Generation auszahlt, wird sich in der nächsten Generation nicht auszahlen – und dies ist um so eher der Fall, je länger eine Generation währt. Das bedeutet gleichzeitig, daß sich die Bedingungen ständig ändern.

Die Rote Königin
    Auftritt der Roten Königin. Sie betritt die Bühne im Laufschritt. Diese ganz besondere Monarchin wurde vor zwanzig Jahren zu einem festen Bestandteil biologischer Theorien und hat seither von Jahr zu Jahr mehr an Bedeutung gewonnen. Folgen Sie mir, wenn Sie wollen, in das dunkle Labyrinth vollgestopfter Regale in einem Büro der University of Chicago, vorbei an Bücherstapeln, die mühsam das Gleichgewicht bewahren, und an meterhohen babylonischen Türmen aus Papier. Zwängen Sie sich zwischen zwei Aktenschränken hindurch und betreten Sie ein schauerliches Kämmerchen, nicht größer als eine Besenkammer, in dem ein älterer Mann sitzt – in kariertem Hemd und mit einem grauen Bart, der sicher länger ist als der von Gottvater persönlich, aber nicht so lang wie der von Charles Darwin. Sie stehen vor dem Propheten der Roten Königin: Leigh Van Valen, einem unbeirrbaren Ergründer evolutionärer Prinzipien. Lange bevor sein Bart grau war, durchforstete Van Valen eines schönen Tages im Jahre 1973 seinen unergründlichen Verstand nach einem Begriff, der eine neue Entdeckung umschreiben sollte, auf die er soeben gestoßen war. Er hatte herausgefunden, daß die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Familie von Tieren ausstirbt, unabhängig davon ist, wie lange diese Familie bereits existiert hat. Mit anderen Worten: Arten verbessern ihre Überlebensfähigkeit nicht (noch werden sie im Alter gebrechlich, wie dies bei Individuen der Fall ist).
    Das Risiko für ihr Aussterben ist dem Zufall unterworfen.
    Die Bedeutung seiner Entdeckung war Van Valen nicht verborgen geblieben. Er hatte einen wesentlichen Aspekt der Evolution erkannt, der von Darwin vernachlässigt worden war: Der Existenzkampf wird nie leichter; wie gut eine Art auch ihrer Umgebung angepaßt ist – sie kann sich nie ausruhen, denn ihre Konkurrenten und Feinde passen sich ihren Nischen ebenfalls an. Überleben ist ein Spiel, bei dem unter dem Strich nichts bleibt. Eine Art wird durch ihren Erfolg lediglich zu einem noch lohnenderen Ziel für andere rivalisierende Spezies. Van Valen erinnerte sich seiner Kindheit, und sein Geist entzündete sich an den lebenden Schachfiguren, denen Alice hinter den Spiegeln begegnet. Die Rote Königin ist eine furchterregende Frau, die wie der Wind läuft, aber niemals

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