Eros und Evolution
dies lesen, auf und in Ihnen mehr Bakterien, als es Menschen auf der Erde gibt.
In den vergangenen Jahren haben sich die Evolutionsbiologen wieder und wieder dem Thema Parasiten zugewandt. Richard Dawkins formulierte es kürzlich in einem Artikel so:
»Belauschen Sie einmal an irgendeinem beliebigen Zentrum moderner Evolutionsforschung die Unterhaltung in der Kaffeepause – Sie werden feststellen, daß Parasit einer der meistgebrauchten Begriffe im Wortschatz ist. Parasiten werden als hauptsächliches Bewegungselement bei der Evolution von Sexualität gehandelt, als aussichtsreichste Kandidaten für eine endgültige Lösung dieses Problems aller Probleme.« 25 Parasiten haben aus zwei Gründen eine verheerendere Wirkung als Räuber. Zum einen, weil es mehr von ihnen gibt. Menschen zum Beispiel sind nicht von Räubern bedroht – andere Menschen und weiße Haie einmal ausgenommen –, aber sie haben eine Menge Parasiten. Selbst Kaninchen, die von Wieseln, Füchsen, Bussarden, Hunden und Menschen verzehrt werden, sind die Wirte für eine noch weit größere Zahl von Flöhen, Läusen, Zecken, Stechmücken, Bandwürmern und ungezählte Formen von Protozoen, Bakterien, Pilzen und Viren. Durch das Myxomatose-Virus bleiben weit mehr Kaninchen auf der Strecke als durch Füchse. Der zweite Grund ist gleichzeitig die Ursache für den ersten: Parasiten sind in der Regel kleiner als ihre Wirte, Räuber dagegen sind größer. Das bedeutet, daß Parasiten kürzere Lebensspannen haben und innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mehr Generationen durchleben als ihre Wirte. Die Bakterien in Ihrem Darm bringen im Laufe Ihres Lebens sechsmal so viele Generationen hervor, wie die Menschheit brauchte, um sich vom Affen bis heute zu entwickeln. 26 Als Folge davon vermehren sich die Bakterien rascher als ihre Wirte und können die Wirtspopulation dadurch kontrollieren und eindämmen. Räuber dagegen folgen nur dem Beuteaufkommen.
Parasiten und ihre Wirte sind durch enge evolutionäre Bande miteinander verknüpft. Je erfolgreicher der Angriff des Parasiten (je mehr Wirte er infiziert oder je mehr Ressourcen er aus jedem Wirt bezieht), desto mehr werden die Überlebenschancen des Wirts davon abhängen, ob er in der Lage ist, eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Je besser sich der Wirt verteidigt, um so stärker wird die natürliche Selektion solche Parasiten fördern, die in der Lage sind, diese Abwehr zu durchbrechen.
Der Vorteil wird also immer von einem zum anderen pendeln: Je drängender die Notlage für den einen ist, um so besser wird er kämpfen. Das aber ist wahrhaftig die Welt der Roten Königin, in der man niemals den Sieg davontragen, sondern stets nur einen zeitweiligen Aufschub erwirken kann.
Wettrüsten
Genau darin aber besteht auch die wechselvolle Welt der Sexualität. Parasiten liefern einem Organismus den Ansporn dafür, seine Gene in jeder Generation zu verändern, wie es die Sexualität zu fordern scheint.
Der Erfolg der Gene, die ihm in der letzten Generation so ungemein von Nutzen waren, kann der beste Grund dafür sein, genau diese Gene in der folgenden Generation abzuschaffen. Bis diese nächste Generation nämlich auf der Bildfläche erscheint, haben die Parasiten mit Sicherheit eine Antwort auf die wirksamste Verteidigung der letzten Generation gefunden. Es ist ein bißchen wie beim Sport. Beim Schach oder beim Fußball ist die Taktik, die sich zunächst als die wirkungsvollste erweist, sehr bald diejenige, die die anderen rasch zu unterlaufen lernen. Jeder neuen Variante im Angriff wird bald durch eine Variante in der Verteidigung begegnet.
Die geläufigste Analogie hierfür ist natürlich das Wettrüsten zwischen zwei Mächten. Die eine baut eine Atombombe, also baut auch die andere eine. Die eine baut Raketen, die andere muß nachziehen. Panzer um Panzer, Hubschrauber um Hubschrauber, Bomber um Bomber, U-Boot um U-Boot. Die beiden Länder rennen gegeneinander an und bleiben doch am selben Ort. Waffen, auf die es vor Jahren keine Antwort gegeben hätte, werden verwundbar und veralten. Je größer der Vorsprung der einen Supermacht, um so verbissener versucht die andere aufzuholen. Niemand wagt es, die Tretmühle zu verlassen, solange er es sich leisten kann, im Rennen zu bleiben.
Diese Analogie mit dem Wettrüsten sollte nicht zu ernst genommen werden, aber sie bietet einige interessante Erkenntnisse. Richard Dawkins und John Krebs erhoben ein dem Wettrüsten entliehenes Argument in den Stand eines
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