Eros und Evolution
Männchens wirklich sind. Die Tatsache, daß es laut singen oder lange Schwanzfedern besitzen und pflegen kann, beweist genauso eindrücklich, daß es gesunde und vitale Söhne und Töchter haben wird, wie das Fischerglück eines Seeschwalbenmännchens dessen Partnerin wissen läßt, daß das Männchen imstande ist, eine größere Familie zu versorgen. Schmuck und Verzierungen sind entstanden, um Genqualität augenfällig zu machen.
Der Zwiespalt zwischen Fisherianern und den Genqualitätsanhängern tat sich in den siebziger Jahren auf, als die Tatsache der Weibchenwahl schließlich zur Befriedigung der meisten Wissenschaftler bewiesen und begründet schien. Diejenigen, die aus der mathematisch-theoretischen Ecke kamen – blasse, exzentrische Typen, die sich meist in inniger Umarmung mit ihrem Computer befinden –, wurden zu Fisherianern. Naturalisten und Feldforscher – bärtige, verschwitzte Typen mit Stiefeln – entwickelten sich allmählich zu Anhängern des Genqualitätslagers. 25
Was kostet die Wahl?
Die erste Runde ging an die Fisherianer. Man speiste mathematische Modelle mit Fishers Überlegungen, und sie überlebten dies. In den frühen achtziger Jahren ließen drei Wissenschaftler ihre Computer ein imaginäres Spiel durchführen, bei dem Weibchen Männchen mit langen Schwanzfedern bevorzugten und daraufhin Söhne bekamen, deren Schwanzfedern ebenfalls lang waren, und Töchter, welche dieselbe Vorliebe hatten wie ihre Mütter. Je länger der Schwanz eines Männchens, um so größer sein Paarungserfolg, um so geringer aber seine Chance, bis zur Paarung zu überleben. Die Schlüsselerkenntnis bestand darin, daß zu jedem Zeitpunkt eine »Gleichgewichtslinie« existiert, an der das Spiel zu einem Ende kommen kann. Entlang dieser Linie ist der Nachteil, den die männlichen Nachkommen eines Weibchens durch ihre langen Schwanzfedern erfahren, genau ausbalanciert durch den Vorteil, den diese Söhne bei der Partnerwahl haben. 26
Mit anderen Worten: Je wählerischer die Weibchen, desto farbenprächtiger und aufwendiger werden die männlichen Ornamente sein, und genau das stellt man in der Natur fest. Beifußhühner haben ein aufwendig verziertes Gefieder, und es werden nur wenige Männchen ausgewählt; Seeschwalben sind wenig auffällig gefärbt, und die meisten Männchen finden eine Partnerin.
Die Modelle demonstrierten auch, daß der Prozeß sich von der Gleichgewichtslinie, wie von Fisher in seiner sogenannten »Selbstläuferhypothese« postuliert, mit ständig zunehmender Geschwindigkeit entfernen kann, aber immer nur dann, wenn die Weibchen hinsichtlich ihrer (erblichen) Präferenz variieren und wenn der männliche Schmuck keine zu große Belastung darstellt. Dieser Umstand ist außer zu Beginn des Prozesses, wenn sich eine Präferenz und ein neues Merkmal gerade neu herausgebildet haben, relativ unwahrscheinlich.
Die Mathematiker aber gingen sogar noch weiter. Es war von großem Einfluß, wenn der Auswahlprozeß die Weibchen etwas kostete. Wenn ein Weibchen bei der Entscheidung, mit welchem Männchen es sich paaren soll, kostbare Zeit verschenkte, die es besser zum Ausbrüten der Eier verwendete, oder wenn es sich dem Risiko aussetzte, von einem Raubvogel erbeutet zu werden, dann ist die Linie nicht mehr stabil. Denn sobald die Art das Gleichgewicht erreicht hat und das Für langer Schwanzfedern durch das Wider ausbalanciert wird, gibt es keinen Nettovorteil mehr für eine sorgsame Auswahl, so daß die Kosten, die eine Wahl möglicherweise mit sich bringt, die Weibchen allmählich in die Gleichgültigkeit treiben. Zunächst schien dies die Fisher-Theorie zu gefährden, und kurzzeitig flackerte das Interesse an einer anderen Version seiner Theorie auf, der zufolge ein besonders schicker Mann ein schlechter Vater sei – ein klarer Nachteil für ein wählerisches Weibchen. 27
Glücklicherweise kam eine andere mathematische Erkenntnis zu Hilfe: die Überlegung nämlich, daß die Gene, die zur Entstehung eines prächtigen Schmucks oder langer Schwanzfedern führten, selbst zufälligen Mutationen unterworfen sind. Je reicher eine Verzierung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine Zufallsmutation dafür sorgt, daß sie weniger spektakulär wird. Warum? Eine Mutation ist Sand im genetischen Getriebe. Wirft man Sand in ein einfaches Gerät, einen Eimer zum Beispiel, dann ändert er dessen Funktion kaum. Wirft man Sand in ein kompliziertes Gerät, beispielsweise in die Mechanik einer
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