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Eros und Evolution

Eros und Evolution

Titel: Eros und Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ridley
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Fahrradgangschaltung, dann macht er daraus höchstwahrscheinlich eine weniger gute Gangschaltung. Jede Veränderung an einem Gen wird somit das Ornament kleiner, weniger symmetrisch oder weniger farbenprächtig erscheinen lassen. Den Mathematikern zufolge ist dies ausreichend, damit es sich für ein Weibchen lohnt, ein Männchen mit einem prächtigen Ornament sorgfältig auszuwählen, denn jeder Fehler in diesem Ornament würde andernfalls von seinen Söhnen geerbt: Wenn es sich für das Männchen mit dem schönsten Schmuck entscheidet, wählt es gleichzeitig das Männchen mit den wenigsten Mutationen. Diese Gegebenheit ist vielleicht auch hinreichend, dem zentralen Problem beizukommen, das wir bereits früher angesprochen hatten, der Tatsache nämlich, daß, wenn in jeder Generation der beste genetische Rahm vom Rahm jeder Generation abgeschöpft wird, es bei dem Rahm über kurz oder lang keine Trennbarkeit mehr gibt. Mutationen sorgen dafür, daß immer wieder Milch in den Rahm gelangt. 28
    Das Ergebnis eines Jahrzehnts mathematischer Spielereien lautet also: Die Fisherianer haben nicht unrecht. Es ist möglich, daß beliebige Verzierungen sich aus keinem anderen Grund zu immer reichhaltigeren Formen entwickeln als dem, daß Weibchen ihre Wahl zwischen verschiedenen Männchen treffen und dabei willkürlichen Modetrends folgen; und je sorgfältiger sie aussieben, um so reichhaltiger werden die Verzierungen. Es stimmt also, was Fisher in den dreißiger Jahren gesagt hatte. Doch eine Menge Naturforscher waren nach wie vor nicht davon überzeugt, und das hatte zwei Gründe. Erstens: Ein Teil von dem, was Fisher zu beweisen suchte, diente ihm zugleich als Voraussetzung. Für seine Theorie ist es von entscheidender Bedeutung, daß die Weibchen bereits wählerisch sind. Fisher selbst hatte eine Antwort hierauf. Zu Beginn hätten Weibchen die Männchen mit den langen Schwanzfedern aus praktischen Gründen bevorzugt, etwa weil sie den Schmuck als Zeichen überlegener Größe und Vitalität verstanden hätten. Diese Idee ist keineswegs aus der Luft gegriffen, schließlich sind selbst die wirklich monogamen Arten wie die Seeschwalben wählerisch, bei denen jedes Männchen ein Weibchen erringt. Aber die Idee stammt aus dem feindlichen Lager. Und so können die Genqualitätsverfechter darauf antworten: »Wenn ihr zugesteht, daß unsere Überlegungen zumindest am Anfang richtig sind, weshalb sollten sie es dann später nicht mehr sein?«
    Der zweite Grund, weshalb einige Forscher nicht von Fishers Überlegungen überzeugt waren, ist einfacher: Der Beweis dafür, daß Fishers außer Kontrolle geratene Selektion geschehen kann, beweist nicht, daß sie auch tatsächlich geschieht. Computer reflektieren nicht die Wirklichkeit. Nur ein Experiment könnte die Naturforscher davon überzeugen, ein Experiment, das zeigen kann, daß die Attraktivität der Söhne die Evolution von Verzierungen vorantreibt.
    Ein solches Experiment hat niemals stattgefunden, aber Leute wie ich, die eher den Fisherianern zuneigen, halten verschiedene Argumente für einigermaßen schlagkräftig. Schauen Sie sich in der Welt um – was sehen Sie? Sie stellen fest, daß aller Schmuck, über den wir hier sprechen, willkürlich ist. Pfauen haben Augen auf ihrem Rad; Beifußhühner besitzen aufblasbare Luftsäcke und ein auffälliges Schwanzgefieder; Nachtigallen verfügen über ein Melodienrepertoire von großer Vielfalt und über ein besonderes Gesangsmuster; Paradiesvögeln wachsen lange, prächtige Schwanzfedern, die an Wimpel erinnern; Laubenvögel sammeln blaue Gegenstände. Es ist ein wildes Durcheinander von Extravaganzen und Farben. Wenn Ornamente, die aufgrund sexueller Selektion ausgewählt werden, Vitalität und Stärke ihres Besitzers zu illustrieren hätten, dann müßten sie doch bestimmt nicht derart zufällig sein? Es gibt ein weiteres Argument, das man zu Fishers Gunsten in die Waagschale werden kann – das Phänomen des Kopierens. Beobachtet man eine Arenabalz sorgfältig, dann stellt man fest, daß die Weibchen ihre Entscheidung häufig nicht allein treffen; sie beeinflussen sich untereinander. Beifußhennen paaren sich mit größerer Wahrscheinlichkeit mit einem Hahn, der sich soeben mit einer anderen Henne gepaart hat. Bei den Birkhühnern, die ebenfalls eine Arenabalz veranstalten, paaren sich die Hähne mehrmals nacheinander, wenn überhaupt. Eine ausgestopfte Birkhenne im Territorium eines Männchens lockt weitere Weibchen in das

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