Eros und Evolution
wachsen diesem oberhalb der Augen. Sie sehen aus wie die Antennen eines Autoradios, verziert mit Dutzenden quadratischer blauer Wimpel. Da diese Federn, die nur einmal jährlich bei der Mauser abgeworfen werden, zum erstenmal erscheinen, wenn der Paradiesvogel vier Jahre alt ist und überdies bei den ansässigen Stammesangehörigen hoch im Kurs stehen, muß es für den Laubenvogel ein schwieriges Unterfangen sein, diese Federn zu ergattern. Und wenn ihm das schließlich gelungen ist, muß er sie bewachen, damit sie ihm nicht von anderen neidischen Laubenvogelmännchen für die eigene Laube gestohlen werden. Somit hat, um mit Jared Diamond zu sprechen, ein Laubenvogelweibchen, das ein Männchen gefunden hat, dessen Laube mit Federn des Albert-Paradiesvogels (auch Wimpelträger) geschmückt ist, die Gewißheit, »daß sie ein dominantes Männchen ausfindig gemacht hat, das phantastisch in der Lage ist, seltene Gegenstände aufzutun oder zu stehlen und gegen eventuelle Diebe zu verteidigen«. 36
Soviel zum Laubenvogel. Wie aber steht es mit dem Paradiesvogel? In seinem Falle ist die Tatsache, daß er alt genug geworden ist, um diese Federn zu bekommen, daß sie bei ihm länger sind als bei allen anderen Männchen in seiner Nähe und daß er sie in gutem Zustand zu halten vermag, ein ebenso verläßlicher Indikator seiner genetischen Qualitäten.
Aber wir werden an das erinnert, was Darwin am meisten ins Grübeln brachte und womit unsere Diskussion überhaupt begonnen hat. Wenn die Federn ein Indikator für die Qualität des Männchens sind, sind sie es dann nicht auch, die eben diese Qualität beeinträchtigen? Schließlich ist jeder Stammesangehörige in Neuguinea hinter ihnen her, und jedem Raubvogel fallen sie auf. Er mag gezeigt haben, daß er imstande ist zu überleben, doch seine Überlebenschancen sind der Federn wegen herabgesetzt; sie sind für ihn eine Last. Wie kann ein System, in dem Weibchen die Männchen nach deren Fähigkeit zum Überleben auswählen, dazu führen, daß die Männchen mit Hemmnissen für ihr Überleben belastet werden?
Das ist eine gute Frage, und es gibt darauf eine paradoxe Antwort, für die wir Amotz Zahavi, einem temperamentvollen israelischen Wissenschaftler, großen Dank schulden. Er erkannte im Jahre 1975, daß das Signal, das ein Männchen einem Weibchen übermittelt, um so mehr Eindruck macht, je stärker sich die Federn eines Pfauenschwanzes oder eines Paradiesvogels zu einem Handicap für ihren Träger auswachsen. Allein durch die Tatsache, daß das prächtige Männchen überlebt hat, kann sich das Weibchen dessen sicher sein, daß es der Prüfung durch das Leben getrotzt hat. Es hat trotz seines Handicaps überlebt. Je aufwendiger und kostspieliger das Handicap ist, um so besser eignet es sich als Signal für seine genetischen Qualitäten; somit wird die Evolution der Pfauenfedern eher beschleunigt, wenn diese ein Handicap darstellen, als wenn dies nicht der Fall wäre. Damit haben wir die Umkehrung der Fisherschen Vorhersage, daß die Weiterentwicklung dieser Federn sich verlangsamen müßte, sobald die Federn zur Belastung würden. 37 Dies ist eine reizvolle und nur allzu vertraute Überlegung. Wenn ein Massai-Krieger einen Löwen erlegt, um seine künftige Frau zu beeindrucken, läuft er zwar Gefahr, getötet zu werden, demonstriert aber auch, daß er den nötigen Mut besitzt, eine Viehherde zu verteidigen. Zahavis Handicap war nichts anderes als eine Version solcher Werbungsrituale. Dennoch wurde er von allen Seiten angegriffen, und man war allgemein der Ansicht, er sei im Unrecht. Das gewichtigste Argument gegen ihn war die Feststellung, die Söhne erbten das Handicap zusammen mit den guten Genen. Sie würden damit in genau demselben Maße belastet wie bevorteilt. Damit wären sie genauso schlecht dran, als wären sie unbelastet und unattraktiv. 38
In den letzten Jahren hat Zahavi jedoch eine Bestätigung seiner Überlegungen erfahren. Mathematische Modelle wiesen nach, daß er möglicherweise im Recht ist, seine Kritiker dagegen im Unrecht. 39 Seine »Anwälte« haben der Theorie zwei subtile Details hinzugefügt und sie damit für die Genqualitätsseite der Theorien zur sexuellen Selektion besonders bedeutsam werden lassen. Das erste lautet: Handicaps als Kennzeichen hoher genetischer Qualitäten und die Einschränkung der Überlebensfähigkeit stehen in einer Wechselbeziehung: Je schwächer das Männchen, desto schwerer fällt es ihm, Schwanzfedern von bestimmter
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