Eros und Evolution
Territorium – allerdings veranlaßt sie sie nicht notwendigerweise auch zur Kopulation. 29 Läßt man Guppy-Weibchen zwei Männchen beobachten, von denen eines bereits ein Weibchen umwirbt, dann bevorzugen die Weibchen das werbende Männchen – auch dann, wenn das zuvor umworbene Weibchen nicht mehr anwesend ist. 30 Genau dieses kopierende Verhalten aber würde man erwarten, wenn Fisher recht hätte, denn hier wird der Mode um der Mode willen gefolgt: Es ist kaum von Bedeutung, ob das erwählte Männchen das »beste« ist; was zählt ist, daß es das modischste ist, und genau das wird auch für seine Söhne gelten. Wenn die Genqualitätsverfechter recht hätten, dürften die Weibchen sich untereinander nicht derart stark beeinflussen lassen. Es gibt sogar Hinweise darauf, daß Pfauenhennen versuchen, einander am Kopieren zu hindern, auch das ergibt in den Augen eines Fisherianers durchaus einen Sinn. 31 Denn wenn das Ziel darin besteht, in der nächsten Generation den attraktivsten Sohn zu stellen, dann ist eine Möglichkeit, das zu erreichen, die, den attraktivsten Ehemann zu wählen; die zweite Möglichkeit besteht darin, andere Weibchen daran zu hindern, sich mit dem attraktivsten Männchen zusammenzutun.
Ornamentale Handicaps
Wenn Weibchen sich ihre Männchen im Hinblick auf die zu erwartende Attraktivität künftiger Söhne aussuchen, warum sollten sie dann nicht auch im Hinblick auf andere genetische Qualitäten wählerisch sein? Die Verfechter der Theorie der »guten Gene« sind der Ansicht, Schönheit habe ihren Sinn: Pfauenhennen wählen genetisch überlegene Männchen, um Töchter und Söhne zu bekommen, die zum Überleben gerüstet sind und nicht nur dazu, Partner anzuziehen.
Die Anhänger dieser Theorie blicken auf ebensoviel experimentelle Unterstützung wie die Fisherianer. Essigfliegen, denen man eine freie Partnerwahl ermöglicht, produzieren eine Generation von Fliegen, die sich im Vergleich zu anderen, bei denen die Elterngeneration nicht frei wählen konnte, als zäher erweisen. 32 Beifußhennen, Birkhennen, Doppelschnepfen, Damhirsche und Witwen – sie alle scheinen bei der Arenabalz die Männchen zu bevorzugen, die am lebhaftesten balzen. 33 Plaziert man eine ausgestopfte Birkhenne genau an der Grenze zwischen zwei Birkhahn-Tanzplätzen, dann kämpfen beide Männchen um das Recht auf das Nekrophilie-Monopol. Sieger wird in aller Regel das Männchen, das den noch lebenden Weibchen am attraktivsten erscheint und bei dem gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, daß es die nächsten sechs Monate überlebt, größer ist als bei anderen Männchen, so daß es außer der Fähigkeit, Weibchen zu beeindrucken, auch noch andere Qualitäten haben muß. 34 Je leuchtender das Rot eines Hausfinks, desto populärer ist er bei den Weibchen; er ist darüber hinaus aber auch der bessere Vater – er schafft mehr Futter für seine Jungen herbei – und lebt länger (vielleicht weil eraufgrund seiner genetischen Konstitution resistenter gegenüber Krankheiten ist). Indem die Weibchen das Männchen mit dem hellsten Rot aus dem Angebot wählen, erwerben sie also gleichzeitig die besten Überlebensgene und die besten Gene für Attraktivität. 35 Die Beobachtung, daß jene Männchen, welche die Verführungskunst am besten beherrschen, auch in anderen Dingen glänzen, überrascht kaum, läßt sich aber nicht als Beweis dafür werten, daß Weibchen für ihren Nachwuchs die besten Gene auswählen. Vielleicht meiden sie schwächliche Männchen, weil sie andernfalls anfälliger für Krankheiten wären. Auch widerlegen solche Beobachtungen die Fishersche Überlegung nicht, daß das Wichtigste, was ein attraktives Männchen seinen Söhnen weitergibt, die eigene Attraktivität ist. Sie lassen nur vermuten, daß das attraktive Männchen auch andere Attribute weitergibt.
Betrachten wir den Fall des Gelbbandgärtners, eines Laubenvogels aus Neuguinea. Das Männchen baut wie andere Laubenvögel auch eine kunstvolle Laube aus Zweigen und Farnen und versucht, Weibchen damit zu verführen. Das Weibchen inspiziert die Laube, und falls ihm Architektur und Dekorationen (bei denen es sich meist um Gegenstände von einer bestimmten, ungewöhnlichen Farbe handelt) gefallen, paart es sich mit ihm. Das Besondere am Gelbbandgärtner ist, daß sein bester Schmuck aus Federn eines bestimmten Paradiesvogels besteht, des Wimpelträgers oder Albert-Paradiesvogels. Diese Federn haben die mehrfache Körperlänge ihres ursprünglichen Trägers und
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