Eros und Evolution
Länge zu produzieren oder zu erhalten. Tatsächlich haben Experimente mit Schwalben gezeigt, daß, wenn man den Vögeln künstlich längere Schwanzfedern verleiht und sie damit über ihren Zustand hinaus erhebt, die Schwanzfedern der Männchen in der nächsten Generation nicht mehr dieselbe Länge erreichen wie zuvor: Das Extra-Handicap hat seinen Preis. 40 Das zweite Detail: Der belastende Schmuck ist vielleicht entstanden, um eventuelle Defizite möglichst deutlich werden zu lassen.
Schließlich wäre das Leben für Schwäne bedeutend leichter, wenn sie nicht weiß wären – wie jedermann weiß, der einmal versucht hat, in einem Hochzeitskleid einen See zu durchschwimmen. Schwäne werden erst weiß, wenn sie geschlechtsreif sind, das heißt im Alter von einigen Jahren; vielleicht vermittelt ein Gefieder, das weißer ist als weiß, einer skeptischen Schwänin die Gewißheit, daß dessen Träger neben der Nahrungsaufnahme Zeit genug findet, sein Gefieder zu pflegen.
Zahavis Rechtfertigung trug entscheidend dazu bei, die Debatte zwischen Fisherianern und Genqualitätsanhängern erneut zu entzünden.
Bis dahin ließ sich die Theorie der guten Gene nur anwenden, wenn der entstehende männliche Schmuck keine Belastung für die Männchen darstellte. Ein Männchen mag durch die Ornamente zwar seine genetischen Qualitäten vermitteln, doch wenn dies unter hohem Kostenaufwand geschähe, wäre der Effekt kontraproduktiv – es sei denn, er resultierte in einem attraktiven Sohn.
Lausige Männchen
Die Handicap-Theorie ist nunmehr mit dem zentralen Problem der sexuellen Selektion konfrontiert, dem Paradoxon der Arenabalz: Wenn die Pfauenhennen stets nur die wenigen allerbesten Männchen zur Paarung auswählen, dann schöpfen sie unablässig den Rahm vom genetischen Rahm, so daß es nach einigen Generationen keine nennenswerte Vielfalt mehr geben kann, aus der sie auswählen könnten. Die Feststellung der Genqualitätsverfechter, Mutationen würden mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, daß Schmuck und Verzierungen weniger wirkungsvoll werden, gibt darauf eine Teilantwort, die allerdings nicht völlig überzeugend ist. Schließlich liefert sie nur ein Argument dafür, nicht gerade den Schlechtesten auszuwählen, nicht aber dafür, den Besten zu nehmen.
Nur die Rote Königin kann unserem Problem beikommen. Denn die Theorie der sexuellen Selektion beinhaltet offenbar, daß Weibchen ständig rennen (indem sie so wählerisch sind) und doch am selben Ort bleiben (ohne Vielfalt zur Auswahl). An diesem Punkt sollten wir uns nach einem ständig veränderlichen Feind umsehen, einem Rivalen im Wettrüsten. Und hier treffen wir wieder auf Bill Hamilton. Zuletzt waren wir ihm begegnet, als wir darüber sprachen, daß Sexualität einen entscheidenden Beitrag zum Kampf gegen Krankheiten leistet. Falls der Hauptzweck sexueller Fortpflanzung darin besteht, die eigenen Nachkommen resistent gegen Parasiten zu machen, folgt daraus unmittelbar, daß es sinnvoll ist, einen Partner mit parasitenresistenten Genen zu suchen. AIDS hat jeden von uns nur allzusehr an die Bedeutung der Gesundheit des Partners erinnert, doch diese Logik gilt für alle Krankheiten. Im Jahre 1983 äußerten Hamilton und eine seiner Kolleginnen, Marlene Zuk (inzwischen an der University of California at Riverside) die Vermutung, daß Parasiten möglicherweise auch der Schlüssel zum Paradoxon der Arenabalz sein könnten, und somit auch zu Farbenpracht und Pfauenfedern, denn Parasiten und ihre Wirtsorganismen ändern, um einander zu überlisten, unablässig ihren genetischen Charakter. Je häufiger ein bestimmter Wirtsorganismus in einer Generation vorkommt, um so häufiger ist in der nächsten Generation der Parasitenstamm, der die Verteidigungsmechanismen dieses Wirts überwinden kann. Oder umgekehrt: Der Wirtsorganismus, der dem vorherrschenden Parasitenstamm am resistentesten gegenüber ist, wird in der folgenden Generation der vorherrschende Wirt sein. Somit kann das resistenteste Männchen unter Umständen der Nachkomme des in der vorigen Generation am wenigsten resistenten sein. Damit ist das Paradoxon mit einem Schlag gelöst. Durch die Auswahl des jeweils gesündesten Männchens jeder Generation treffen die Weibchen jedesmal auf einen anderen Satz von Genen und haben damit immer eine hinreichende genetische Vielfalt zur Verfügung. 41
Die Hamilton-Zuk-Theorie war relativ gewagt, die beiden Forscher gingen ihren Weg jedoch weiter: Sie überprüften die
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