Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
Da stand der neue Name meiner Liebe, Sofie Kramer, geborene
Kurtz. Plötzlich kamen die Dinge ins Rasen, mir fehlte es an Zeit, Keferloher
endlich rauszuschmeißen, stattdessen fuhr ich nach Wuppertal, überstürzt und
allein. Ich hätte klüger sein, alles vorbereiten können, aber, naja.
    Oktober 51
    Ein Herbsttag. Birgit, Rolf und Sofie, Arm in Arm, Rolf in
der Mitte, gehen über einen Platz, singen: »Brüder zur Sonne, zur Freiheit.«
Passanten glotzen ihnen bösartig hinterher. Ein schon alter Mann, dem man
soviel Wut nicht zutrauen würde, holt mit dem Spazierstock nach ihnen aus, sie
laufen, lachen, lehnen sich an eine Litfaßsäule. Das Trio hat sich neu
arrangiert, Rolf und Birgit sind zwar noch ein Paar, von Heiratsplänen ist
indes kaum noch die Rede. Und Sofie, froh um die beiden, weil sie ihr einen
Ausblick bieten aus der verhaßten Kindergärtnerei, unterdrückt jede
Leidenschaft und Eifersucht, läuft mit, schaut sich manches ab. Birgit will
wissen, warum der Text des Liedes so patriarchalisch klingt. »Warum heißt es Brüder? Warum nicht Schwestern? Oder Geschwister? «
    Sofie lehnt an der Säule, japst – »Ja! Genau! Warum nicht?«
    Rolf behauptet, Geschwister, zur Sonne, zur Freiheit – das klänge wie
Inzest am FKK-Strand. Die Frauen lachen.
    »Oder – wie neulich einer auf der Versammlung sagte: Der Kampf um das
Menschenrecht ist mit dem Kampf für das Recht der Frau untrennbar verbunden. «
    Alle kichern, noch ausgelassener. Rolf nimmt beide Schwestern in die
Arme. »Kommt her!«
    Gibt beiden einen dicken Schmatz. Erst Birgit, dann Sofie. Birgit,
säuerlich schnaufend, entwindet sich seinem Arm. Sofie ist derweil verunsichert
ob des Kusses – der vielleicht ganz unschuldig gemeint gewesen sein kann, kann
sein – er lag so gerade an der Grenze zur Intimität.
    »He! Was hastn du?« Rolf fühlt sich zu Unrecht mit Verachtung
gestraft.
    »Schon gut. Ist ja nichts.« Birgit wiegelt ab, nur eben so, daß da
doch was ist, und viel.
    »Dann sei nicht so.«
    Birgit dreht sich plötzlich zu Sofie um, faucht sie an. »Warum
suchste dir nicht endlich nen Kerl?«
    »Waas?«
    »Ist doch wahr. Darf ich doch mal fragen!«
    »Was geht denn dich das an?«
    Birgit verrät nicht, was sie das angeht, wendet sich an ihren Rolf:
»Wenn wir uns nicht zufällig an der Uni übern Weg gelaufen wärn – wärst du
jetzt mit ihr zusammen, oder nicht?«
    Rolf, gerade in der Laune, mit Gefühlen zu spielen, antwortet: »War
ja gar nicht zufällig. Hast mich ja gesucht . Hast mir ja aufgelauert .«
    »Danke!« Birgit fühlt sich bloßgestellt, wird wütend, droht Rolf
Ohrfeigen an. Der bereut.
    »Jetzt sei doch nicht kleinlich. War nurn Witz.«
    »Nein, es ist wahr. Und du erzählst es ihr, machst mich schlecht.«
    Sofie ist der Streitereien müde. »Hört mal, macht das unter euch
aus, ja? Nicht vor mir.«
    Rolf entschuldigt sich für die schlechte Stimmung.
    »Du brauchst dich nicht für mich zu entschuldigen«, ruft Birgit.
    »Tu ich doch nicht.«
    »Tschau«, sagt Sofie, will der Szene aus dem Weg gehen, hat sich
nichts vorzuwerfen.
    »Bleib doch! Das geht schnell vorbei«, ruft Rolf ihr hinterher.
    Birgit platzt der Kragen. »Du redest von mir wie von einer Irren!
Ist dir das bewußt?« Birgit hat Rolf am Arm gepackt.
    »Ganz dicht biste ja auch wirklich nicht.«
    Birgit gibt ihm eine der angedrohten Ohrfeigen als Vorschuß, stakst
auf hohen Schuhen davon. Sofie, um die Situation nicht noch prekärer zu
gestalten, stakst ebenfalls davon, in eine andere Richtung, auf nicht ganz so
hohen Schuhen. Rolf steht alleingelassen, ungläubig blinzelnd, an der
Litfaßsäule. Hat er sich etwas vorzuwerfen? Wenn er tief in sich hineinhorcht,
hat er sich in der Tat etwas vorzuwerfen. Er würde mit Sofie gern mal schlafen.
Ja. Ist doch ganz natürlich. Das zu wollen, bedeutet ja nicht gleich, es auch
in die Tat umzusetzen. Obwohl, wenn Birgit sich weiter so anstellt, warum
nicht? Er hat diese kapriziöse Kuh langsam satt.
    Nachmittag. Mietshaus. Sofie sperrt die Haustür auf. Neben
der Haustür sitzt Alexander, unauffällig, ja beinahe ärmlich gekleidet. Sie
erkennt ihn nicht. Er sieht sie an. Er erkennt sie. Sie geht an ihm vorbei, rennt die Treppe
hinauf, in ihr Ein-Zimmer-Apartment. Neben dem Bett steht ein Fahrrad. Sie
wirft Mantel und Handtasche aufs Bett. Heult. Wäscht sich ihr Gesicht im Bad.
Es klingelt. Sie geht und öffnet die Tür. Alexander steht draußen.
    Die beiden Gesichter, aufeinander gerichtet. Sein

Weitere Kostenlose Bücher