Eros
als
altmodisch. Kloßbrühenklar dagegen gefiel mir.
Sie müssen wissen, ich war komplett wahnsinnig und hatte in meinen
kühnsten Träumen durchaus damit gerechnet, Sofie hier herauszuholen, mit zu mir
zu nehmen. Hatte eine der Werksmaschinen auf den nahegelegenen Düsseldorfer
Flughafen geordert. Es war eine sechssitzige Junkers 160, schon fünfzehn Jahre
alt. Nichts Besonderes, aber genug, um ein wenig Eindruck zu schinden. Wie man
das in diesem Alter eben gerne macht: Angeben, protzen, den großen Maxen
spielen. Vor ihrem Mietshaus hätte uns eine Limousine mit Chauffeur erwarten
sollen, aber das hatte nicht geklappt, es war schwer, im Jahr 51 so auf die
Schnelle eine Limousine zu organisieren, aber doch nicht zu schwer, nur, leider,
der Fahrer hatte die Adresse verwechselt, da stand ich nun also doof in der
Gegend, schrecklich retardierende Szene – »Worauf warten wir denn?« »Warts ab,
kommt sicher gleich!« »Echt, kommt da bald was?«
Peinliche Sache, denn da kam nichts, und wir gingen, nachdem wir
zwanzig Minuten gewartet hatten, zum Taxistand. Es mag unglaubwürdig klingen,
aber wir haben fast nichts miteinander geredet, erst als wir am Flughafen
anlangten und ich sie zum Hangar geleitete, aus dem die Maschine gerade auf die
Rollbahn fuhr, ich bebte übrigens vor Angst, einer Angst, die ich zusammen mit
ihr, mit Sofie besiegen wollte – mein erster Flug seit jenem allerersten,
fürchterlichen, naja, ich war verschwitzt und wortkarg, aufgeregt, ich
zitterte, und Sofie fragte: »Meinst du das ernst?«
»Ist, wie es ist.« Mir rutschte genau dieser Satz heraus, die
Lieblingsfloskel meiner Mutter.
»Okay.«
Im Nachhinein könnte ich mich stundenlang ohrfeigen für meinen
Auftritt. Neben ihr wirkte ich schüchtern, ungelenk, langweilig, außer wenn
mich das Zittern überkam, dann versuchte ich es durch Arroganz und
Großmannsgehabe zu überdecken. Ich muß einen widerwärtigen Eindruck gemacht
haben, und nur Sofies ausgeprägter Neugier war es zu verdanken, daß sie dieses
Flugzeug doch bestieg. Vielleicht wollte sie sich die Möglichkeiten zeigen
lassen, die ich ihr bieten konnte, wollte sich einen Überblick verschaffen. Das
ist mein Problem schon immer gewesen: Menschen, die mir begegneten, sahen
erstmal die Möglichkeiten, die mein Reichtum ihnen bot, dann erst mich, den
Menschen, ich war ein Wesen mit Tentakeln aus Möglichkeiten, eine Art
Wunschbaum, ein Faktotum der Traumerfüllung. Sofie war nie berechnend, zwar neu gierig,
aber nie gierig, sonst wäre es leicht geworden mit ihr. Aber an diesem Tag wollte sie wissen,
was sie an mir hätte, da bin ich mir sicher – und wenn ich besser, charmanter,
eleganter, witziger gewesen wäre, wenn hinter den Tentakeln ein liebenswerter
Mensch hervorgekommen wäre, dann – vielleicht – hätte alles anders verlaufen
können.
Von Brücken sackte zusammen , schien sich in seinem Sessel
verkriechen zu wollen, preßte den Oberkörper ins Leder und stöhnte.
Meine Güte! Ich war doch liebenswert, war großzügig, gutmütig,
lernfähig, ich sah nicht einmal schlecht aus! Aber ich war eben auch jung und
dumm und unbeherrscht. Und – nicht zu vergessen – außer mir. Völlig außer mir,
weil die Sternengeliebte in realiter neben mir saß, schön und begehrt wie keine
andere Frau der Erde. Und fälschlich ging ich davon aus, daß sie für mich,
einzig für mich bestimmt war, daß ich Sofie nur finden und zu mir holen müßte,
damit zuletzt alles seine kosmische Ordnung bekäme. Etwas anderes schien gar
nicht vorstellbar, wir würden einander lieben, füreinander da sein, es war eine
überaus einleuchtende Vorstellung. Vom winzigen Flughafen in Durach holte uns
ein Wagen ab, der bis zum Eulennest nur eine knappe halbe Stunde brauchte. Es
war damals schon keine Ruine mehr, die Inneneinrichtung ließ an Stil und
Geschmack noch zu wünschen übrig, aber immerhin, ein netter Kasten.
Märchenhafte Architektur, ein wenig romantisch, ein wenig verwunschen und –
wenn man in Wuppertal eine Einzimmerklitsche im Karrée bewohnte – sicher
beeindruckend. Sofie wand sich unter dem Anblick wie unter etwas Unwirklichem.
Ich mißdeutete ihr Minenspiel als Schüchternheit oder Verlegenheit, tatsächlich
fühlte sie sich schon nicht mehr wohl bei mir und wußte nur noch nicht, wie sie
da wieder herauskommen könnte. Sie bekam Angst, und ich, der ich diese Angst
nicht als Angst einordnete, nur als Staunen, freute mich sogar an diesem
Staunen, dieser Angst.
»Hier wohn ich
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