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Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Geschäftliche.
Schreiben Sie ein langes Kapitel darüber, wie ich mich fühlte. Denken Sie sich
das Schlimmste aus, setzen Sie dann noch eins drauf. Ich hatte ein guter Mensch
sein wollen, wissen Sie noch?«
    Von Brücken war in seinem Sessel zusammengesunken. Draußen
kroch die Dämmerung übers Land. Wir konnten einander kaum mehr erkennen,
dennoch – keiner von uns regte einen Finger, um einen Lichtschalter zu
betätigen. Wir blieben in der Dunkelheit hocken und schwiegen. Erst als ich
glaubte, von Brücken sei eingeschlafen, wagte ich leise zu fragen, wer sich
denn nun um Sofie gekümmert habe? Sobald gestellt, kam mir die Frage
widersinnig vor. Ihm hingegen schien sie zu gefallen. Er lächelte. Auf gewisse
Art gerührt.
    »Nur Lukian blieb in Berlin. Er bestand darauf. Man könne Sofie doch
jetzt nicht ganz allein lassen.«
    Fraktale
    Nachts bat ich Lukian, mir etwas über diese Zeit zu
erzählen. Wieder blockte er ab, seine Geschichte sei nicht relevant, es gehe
nicht um ihn. Aber vielleicht, gab ich zu bedenken, gehe es um Sofie. Er sah
mich durchdringend an, ließ seinen Blick eine Weile lang fast amüsiert auf mir
ruhen.
    »Alexander hat schon sehr genau gewußt, warum er gerade Sie ausgesucht hat.«
    Wie er das meine?
    Wir beide, Alexander und ich, seien uns ja wesensverwandt. Im Grunde
würde ich innerhalb meiner Romane dasselbe tun, was Alexander getan habe, ich
auf dem Papier, er im Freiluftgehege des Lebens. Alle Menschen würden
irgendwann zu Figuren, und die Macht, die ich als Autor ausüben würde, sei
vergleichbar mit jener Alexanders über die Wirklichkeit.
     »Mit Ihrer Hilfe verwandelt
er das alles in ein – nehmen wir mal zu Ihren Gunsten an – Kunstwerk . Es ist seine
Art, dem Ganzen eine Legitimation zu verleihen, nachträglich. Ich will ihn
nicht dran hindern, sehe aber auch nicht ein, warum ich ihn dabei unterstützen
sollte.«
    Ich entgegnete, die Verwandlung in ein Kunstwerk sei nun das Übelste
nicht, was einem Leben widerfahren könne. Er schüttelte den Kopf. Kunstwerke
seien Lügen. Vielleicht sollte die Geschichte besser Fragment bleiben, nur
Fragmente bewahrten sich, im Wortsinn des Verbums, eine Option auf Wahrheit.
    Folgerichtig verließ er mein Zimmer fast grußlos.

Fünfter Tag
    Freunde und Helfer
    1970, im Mai, kamen mich auf dem Eulennest zwei Beamte des
BKA besuchen. Dies aufgrund einer seltsamen Vorgeschichte. Ob Sie es glauben
oder nicht, in den zurückliegenden drei Jahren hatte ich erneut versucht, meine
Geliebte ein für allemal sich selbst zu überlassen. Gewiß, es gab hier und da
eine Form von heimlicher Unterstützung, sie schlug sich mit verschiedenen Jobs
durch, mehr schlecht als recht, aber ich wollte keine Einzelheiten erfahren. Es
genügte mir, zu wissen, daß in einem Notfall, in einem wirklichen Notfall,
Hilfe vorhanden wäre.
    Diese drei Jahre kamen mir vor, als säße ich freiwillig im
Gefängnis. Ein schönes, großes Gefängnis, in das ich mich selbst eingesperrt
hatte, um Buße zu tun. Meine Zeit widmete ich der Philosophie, den schönen
Künsten, der Musik. Gewissermaßen versuchte ich, durch verfeinerte Bildung mein
Dasein zu sublimieren, zu abstrahieren, in metaphysischer Form weiterzuleben.
Meine letzte Verbindung zu Sofie war Lukian. Er lebte stellvertretend für mich.
Und es machte ihm Freude. Was ich weiß, weiß ich von ihm, es kann sein, daß er
mir vieles verschwieg. Oder vieles erfand.
    Aber kommen wir vorerst zum Besuch der beiden BKA-Beamten. Der eine
stellte sich als Friedrich Steinmetz vor, der andere hieß Höfer. Die beiden
wollten etwas über meine Beziehung zu einem Fräulein Kramer, geborene Kurtz,
derzeit wohnhaft in Berlin, erfahren.
    Ich gab mich wortkarg, etwas zu wortkarg wohl, vor
Aufregung vergaß ich nach dem Anlaß des Besuches zu fragen. Sofie Kramer, Sofie
Kramer, ach ja, nein, das könne man keine Beziehung nennen. Ich
hätte sie einmal per Annonce suchen lassen, bundesweit, vor vielen Jahren.
    Das würde er, Steinmetz, doch eine Art von Beziehung nennen. Höfer
schwieg die ganze Zeit über.
    Ich stritt gar nicht ab, sie einmal gekannt zu haben. Im Krieg, in
der finsteren Zeit.
    »Sie wissen, was sie macht?«
    »Das ist so lange her. War sie nicht irgendwann Kindergärtnerin?«
    »Sie hat danach eine etwas andere Laufbahn eingeschlagen. Aber
darüber müssen wir nicht reden. Hat ja mit Ihnen nichts zu tun.«
    »Nein.«
    »Sie sind unverheiratet?«
    Meine Arbeit sei meine Frau, antwortete ich.
    »Was machen Sie denn

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