Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
so?«
    Ich sagte, ich würde an einem Projekt arbeiten, das mir mein Vater
hinterlassen habe. Und hielt eine Skizze hoch.
    »Schauen Sie – das sogenannte Eieiei . Der ei förmige Ei nfamilienbunker.
Für den Keller im Ei genheim.
Wir lassen ihn in Serie gehen. Das wird ein Hit. Damit überlebt man den
Atomkrieg. Wenigstens ein paar Tage lang.«
    Steinmetz begriff zwar, daß ich ihn wahrscheinlich veralberte.
Ganz sicher war er jedoch nicht. Ob ich zu Sofie Kramer noch was zu sagen
hätte.
    Sie hätte mir, seufzte ich, in all den Jahren keine einzige
Postkarte geschrieben. Schoflig. Die Frauen.
    Steinmetz nannte den Namen Lukian Keferloher . Der für
mich arbeiten würde, nicht wahr?
    Ich nickte. Früher mal. Offiziell war Lukian in keiner Gehaltsliste
zu finden. Schon lange nicht mehr. Warum?
    Dieser Keferloher unterhalte zu Fräulein Kramer eine intime
Beziehung.
    Davon sei mir nichts bekannt. Lukian habe sich aus der Firma
zurückgezogen und arbeite als Lektor, freier Lektor, das sei der letzte Stand
meiner Informationen.
    Steinmetz hatte nichts, aber auch gar nichts in der Hand. Bedachte
man dies, verhielt er sich mir gegenüber relativ unverschämt.
    Ob ich noch irgendwie behilflich sein könne?
    Steinmetz preßte die Lippen zusammen vor Wut. Ob ich wisse, daß
Sofie Kramer im Verdacht stehe, schwere Straftaten verübt zu haben?
    »Ach je. Wirklich?«
    »Hören Sie, Herr von Brücken, Sie sind, das ist mir schon klar, ein
Mann von gewaltigem Einfluß, ein Mann mit Verdiensten. Aber es gibt Grenzen,
und gewissen Ärger sollten Sie sich lieber ersparen.«
    »Das, verehrter Herr Steinmetz, sollte sich grundsätzlich jeder Bürger vornehmen, Verdienste hin und Einfluß her, hab ich Recht?«
    Ich war sehr gespannt, was nun folgen würde. Aber da folgte nichts
mehr. Die beiden Kriminaler verließen mich sichtlich unzufrieden. Aber soll ich
Ihnen was sagen – und das ist der Grund, warum ich diese Episode inmitten der
Chronologie vorgezogen habe –, ich hörte an jenem Tag von schweren Straftaten, die
meine Geliebte verübt haben sollte – das traf mich wie eine herabfallende Wolke
aus Blei auf den Kopf. Keine Ahnung habe ich gehabt. Keine.
    Prinzenstraße
    1968, Ende Oktober, nimmt Lukian Kontakt zu Sofie auf.
Ohne Anweisung, auf eigene Faust. Er spricht sie in einem Café in Kreuzberg an,
später behauptet er, es sei spontan, aus einem Impuls heraus geschehen, er habe
nicht anders gekonnt.
    »Entschuldigung?«
    »JA?« Sie schreit die Silbe fast hinaus, hörbar erschrocken.
    »Wir kennen uns, glaub ich. Wuppertal? Ist etliche Jahre her.
Lukian. Dein ehemaliger Nachbar! Kannst du dich erinnern?«
    »Ach ja …« Sofies Mund bleibt leicht geöffnet, sie denkt nach.
Lukian. Es fällt ihr wieder ein. Der opportunistische Belletrist. Luc. Der
Blumenstrauß. Glühwein und Videokunst.
    »Du hast mich erkannt? Ich dachte, man erkennt mich nicht …« Sofie
trägt eine dunkle Brille und ihr blondiertes Haar sehr üppig und lang, mit
einem Pony bis in die Augenbrauen.
    »Wieso? Legst du drauf Wert? Daß man dich nicht erkennt?«
    Sofie scheint die Frage nicht richtig verstanden zu haben, wirkt
abgelenkt. »Was?«
    »Ich hab dich ein bißchen beobachtet. Du siehst dich dauernd um.«
    »Ich hatte auch das Gefühl … beobachtet zu werden. Aber nicht von
dir.«
    »Hm? Gehts dir nicht gut?«
    »Mir gehts nicht so gut, nein. Bist du noch Lektor?«
    »Hin und wieder. Ich schlag mich so durch. Und du?«
    »Stütze.«
    »Oh.«
    »Geht schon. Zeigst du mir deine Wohnung?«
    »Meine Wohnung?« Lukian hisst die Augenbrauen.
    »Willst du mit mir reden? Oder nicht?«
    »Naja. Gerne. Klar.«
    »Schreib mir die Adresse auf.« Sie gibt ihm einen Bierdeckel. »Ich
komm dann hin. Heut abend.«
    Lukian ist verdutzt, meint, man könne doch auch hier reden. Sofie
flüstert, sie möchte ihn in nichts reinziehen, werde ihm alles erklären. Heute
abend.
    Luki unterrichtete mich telefonisch von der
Kontaktaufnahme. Ich hatte nichts dagegen. Er solle mal machen, es sei mir
egal. Innerlich verfluchte ich ihn für diese Eigenmächtigkeit, aber das war nur
am Anfang so. Später war es mir tatsächlich egal. Nicht egal, das ist das falsche
Wort. Wie sagt man, wenn einem etwas begrüßenswert erscheinen müßte, weil alles
andere noch schlimmer wäre? Ehrlich gesagt, hatte ich vermutet, es sei viel
früher schon zum Kontakt gekommen, und ich war nun auf gewisse Art erleichtert,
weil er mich einbezog.
    Am selben Abend betritt Sofie Kramer Lukians

Weitere Kostenlose Bücher