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Eros

Eros

Titel: Eros Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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wieder denk ich, es geht schon irgendwie, noch
ist nicht alles verloren, ich hab nen Schutzengel, der über mich wacht.«
    Schutzengel? Wie sie das meine?
    »Zum Beispiel vor sechs Monaten – ich war völlig abgerissen, hätte
mir am nächsten Tag ne Stelle als Verkäuferin suchen müssen, irgendwo. Da stand
der Losverkäufer vor meiner Haustür. Kennste das? Du weißt schon, so ein
Losverkäufer mit Bauchladen, wie es sie fast nicht mehr gibt, er sah mich und
grinste mich an. Gehnse an Ihrem Glück nicht vorbei, schöne Frau. Nur ne Mark
das Los! Ich hatte kaum Geld fürn Frühstück. Aber wie er mich ansah  …
fast flehend. Ich habn Los gekauft. Du glaubst es nicht. Ich hab zehntausend
Mark gewonnen. Kannst du dir das vorstellen? Weil ich gerade kein Konto habe,
kam der Mann von der Lotteriegesellschaft am nächsten Tag mit einem kleinen
Koffer voll Bargeld. Zum Glück war Holger nicht da …«
    Lukian findet, es sei nicht zu forsch, Sofie an der Schulter zu
berühren mit zwei Fingern.
    »Warum biste mit dem Geld nicht weg?«
    »Na bin ich doch. Nach Paris! Bloß – waren da plötzlich viele, die
nach Paris wollten, denen mußte ich doch helfen – und für so viele sind zehn
Mille nicht so viel. Gerade in Paris. Aber Paris war toll . Hast du noch was von
dem Roten, der ist nicht schlecht. Hör mal – ich möcht mich betrinken. Ist das
in Ordnung?«
    »Klar. Verstehe.«
    »Wie willstn du das verstehen? Nichts verstehst du. Tschuldigung. Du
bistn lieber Kerl. Mit Betonung auf Kerl . Kann ich aufm Sofa schlafen? Ich hab Angst vor
zuhaus. Kannst du deine Finger kontrollieren? Ich sag dir, wie es ist: Ich
möchte deinen Wein trinken, aber ich will nicht mit dir pennen, ist das ok? Den
Wein bezahl ich dir später mal. Falls du mich für impertinent hältst.«
    »Schon gut. Bleib hier. Der Wein ist … sehr primitiv.«
    »Manchmal seh ich meinen Schutzengel im Traum.«
    »Ja? Wie sieht er denn aus?«
    »Weißt du, an sich bin ich überzeugt, daß jedem im Leben mal eine
Möglichkeit geboten wird, oder auch zwei oder drei. Ich könnte zum Beispiel ne
feine Dame sein. Da hast du keine Ahnung von. Komisch, daß ich dir das alles
erzähle. Irgendwie hab ich das Gefühl, ich kann dir alles erzählen, du nimmst
es halt so hin, und denkst dir: Mein Gott, die komische Kuh wird schon
irgendwann aufhören … Sie hat ihre Tage und ansonsten schlechten Sex.«
    »Das denke ich bestimmt nicht.«
    »Warum nicht? Kann doch sein.«
    »Geht mich nichts an.«
    »Stilisier dich bloß nicht so! Das geht dich was an, weil ich hier
bei dir rumhocke. Wenn dich das nix angeht, geh ich halt.«
    »So meinte ich das nicht. Ich wollte …«
    »Holger will Banken machen, weißt du, dagegen habe ich gar nichts,
aber man braucht Waffen, um Banken zu machen, und wenn man Waffen benutzt, dann benutzt man sie irgendwann.«
    »Banken machen. Du meinst, Banken überfallen? Ausrauben?«
    »Soll ich vielleicht welche gründen? Kannst du mir dafür das Kapital
leihen?«
    Lukian schweigt, obwohl er sich diese Möglichkeit durch den Kopf
gehen läßt. Sofies Bewegungen lassen in ihrer motorischen Koordination bereits
ein wenig nach.
    »Ich weiß wieder, was du zu mir gesagt hast, damals, in Wuppertal.
Die Welt ist viel verrückter, als man denkt – oder so ähnlich. Hat mir
gefallen, das Sprüchlein. Hat sich mir irgendwie eingeprägt. Obwohls banal war.
Eigentlich. Ich glaube, daß die Welt im Grunde ganz einfach ist. Einfach’n
Haufen Dreck, und mittendrin irgendwo man selbst, mit ner winzigkleinen
Schaufel. Man fängt irgendwo an und schaufelt was frei. Grad soviel, daß man am
Ende da hineingeschmissen werden kann und Klappe zu.« Sofie schläft auf dem
Sofa ein, im Sitzen, das leere Glas in der Hand.
    Tags darauf rief Lukian bei mir an. Schilderte den
Vorfall. Sofie schlafe ihren Rausch aus. Auf seinem Sofa. Sie trinke. Das sei
offensichtlich. Wir müssten etwas tun.
    »Wir haben viel zuviel getan.«
    »Alex? Was ist, wenn sie mit mir glücklich wird? Was dann?«
    Das kam ziemlich unvermittelt. Luki muß seinen ganzen Mut
zusammengenommen haben, ich hörte, wie er den Atem anhielt. Dieser Mistkerl.
Was sollte ich denn antworten? Was hätten Sie ihm geantwortet? Er
zwang mich zur einzigen Antwort, die ich ihm geben durfte, wollte ich nicht
vor mir selbst als Hundsfott dastehen.
    »Wenn sie glücklich ist, bin ich es auch.«
    »Hab ich freie Hand?« Lange Pause. »Hallo? Alex?«
    »Ja.«
    Ich kam mir nach diesem Ja ganz gut vor, beinahe
edel, nein

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