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der Schwarze (a) die Verantwortung trug und (b) versuchte, aus der Wohnung zu entkommen. Ein sehr tief sitzender Instinkt, das Jagdfieber, weckte in Sokolow den Wunsch, ihn zu verfolgen. Doch bald schaltete sich ein höherer Teil seines Gehirns ein. Vor dreißig Sekunden hatte er sich noch im Gang darauf vorbereitet, einem chinesischen Hacker einen tödlichen Schrecken einzujagen, und jetzt wollte er einen schwarzen islamischen Kämpfer mitten durch ein offenes Kalaschnikow-Duell in einer Bombenfabrik verfolgen?
Mit einem Blick an dem trägen Körper des zentralasiatischen Kalaschnikow-Schützen vorbei konnte Sokolow ein Ende eines größeren Raums sehen, der wegen seiner Mündungsfeuer etwas von einer Disco hatte. Was immer dort vor sich ging – und davon konnte er kaum etwas sehen –, sehr lange würde es wohl nicht mehr dauern. Er konnte nämlich schon die Füße eines seiner Männer auf dem Boden reglos in die Tür hineinragen sehen.
Das Licht wurde heller und flackernder.
Von da, wo Sokolow lag, hätte er wie ein Infanterist auf dem Bauch quer durch den ANFO -Mixraum kriechen können, aber das hätte ihn zu einer leichten Beute für jeden gemacht, der zufällig in den Türrahmen getreten wäre. Daher stieß er sich ab und durchquerte das Zimmer mit Hechtsprung und Rolle, und kam, sein Gewehr im Anschlag, unmittelbar vor der Tür an.
Dort wurde er von einer gelben Feuerzunge begrüßt, die sich über den Boden ausbreitete. Er wich zurück, doch da hatte einer ihrer Ausläufer bereits von allen Seiten an seinem Stiefel geleckt und ihn in Brand gesetzt. Indem er fest mit dem Fuß aufstampfte, gelang es Sokolow, das Feuer auszutreten, und nun stieg ihm ein starker Acetongeruch in die Nase. Ein Kanister von dem Zeug war durchlöchert worden.
Vier vollkommen reglose Körper – zwei davon Russen – lagen ausgestreckt auf dem Boden. Drei Verwundete – davon ein Russe – hatten jeden Gedanken an eine Fortsetzung des Kampfes aufgegeben und versuchten, rollend oder kriechend von dem sich ausbreitenden See aus brennendem Lösungsmittel wegzukommen. Der Ausgang lag auf der anderen Seite der Flammen, dort, wo auch das Gewehrfeuer tobte. Sokolow saß an diesem Ende der Wohnung in der Falle. Durch die flirrende Luft über dem Feuer sah Sokolow aufrecht stehende Männer und wusste sofort, dass es Feinde waren, da die Speznas-Jungs sich niemals auf so törichte Weise exponiert hätten. Über die Flammen hinweg zielend, streckte er mit fünf Schüssen ebenso viele Männer nieder. Allein die Tatsache jedoch, dass sie in dieser Haltung da gestanden hatten, war schon fast der Beweis, dass Sokolows Männer entweder tot waren oder sich in den Gang zurückgezogen hatten.
Unter gewaltigem Zischen ging ein Kanister mit irgendetwas in Flammen auf, was Sokolow dazu zwang, sich aus diesem Raum hinaus in den anderen zurückzuziehen, in dem sie das ANFO gemischt hatten. Er machte sich daran, die Tür zuzuschieben. Alle Fenster in dem Zimmer hinter ihm waren von Irrläufern zerschmettert worden, und das nach Sauerstoff gierende Feuer saugte durch sie einen Strom von Luft ein. Der Wind bekam seine Zähne in die Tür und schlug sie mit lautem Knall zu. Kleine Löcher begannen sich darin zu zeigen, und Splitter flogen durch den Raum.
Der Geräuschpegel, der aus der Wohnung über ihnen drang, war insofern buchstäblich schockierend, als Marlon und seine Freunde körperlich darauf reagierten, so als pressten riesige Hände ihnen die Eingeweide zusammen. Instinktiv kauerten sie sich auf den Boden. Quer über die Zimmerdecke bildete sich eine Reihe von Trichtern. Erst nach erstaunlich langer Zeit wurde ihnen klar, dass es sich dabei um Einschusslöcher handelte.
Wenn Fremde an ihre Tür gehämmert hätten, hätten sie womöglich schneller reagiert. Sie hatten immer darüber spekuliert, was sie tun könnten, wenn das Virusprojekt zu einer Polizeirazzia führte. Diese Diskussion war weitgehend so geführt worden, als hätte die Frage gelautet: »Was, wenn Xiamen von Zombies übernommen würde?« Die Chancen, dass das Büro für Öffentliche Sicherheit sich Gedanken über die Aktivitäten eines Nests von Virusschreibern machte, waren nämlich nicht viel größer als die einer Zombieplage. Sie hatten es jedenfalls durchgesprochen und sich darauf geeinigt, dass das Verlassen des Gebäudes über das Treppenhaus nicht in Frage kam. Dort würden sie auf Unmengen von Polizisten (oder Zombies) stoßen. Noch wichtiger war jedoch, dass das nicht
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