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Error

Error

Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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annähernd schlau oder cool genug wäre; von Hackerflair keine Spur.
    Da die Stromversorgung in dem Mietshaus unzuverlässig war, hatten sie an ihren Computern unterbrechungsfreie Stromversorgungen – USV s –, die bei Stromausfällen auf Batteriebetrieb umschalteten und mit einem Piepsen dazu aufforderten, den Computer herunterzufahren, bevor die Batterie leer war.
    An diesem Morgen war Marlon durch das Summen und Piepsen mehrerer USV s geweckt worden. Was an sich nichts schrecklich Ungewöhnliches war. Normalerweise blieb der Strom dann aber eine Weile aus, und die Piepstöne gingen weiter. Heute jedoch nicht. Heute war es ein kurzer Stromausfall gewesen, weit unter einer Minute. Genug, um Marlon zu wecken. Ein paar Minuten später jedoch hatte es eine ganze Serie von kurzen Unterbrechungen gegeben, die die Alarmvorrichtungen in einem sich wiederholenden Muster hatten piepsen lassen: Gruppen zu je drei Piepstönen, mal kürzer, mal länger.
    Jemand hatte versucht, ihnen ein Signal zu senden. Er hatte keinen Schimmer, wer das war oder was die Nachricht bedeutete, aber irgendetwas daran hatte jeden paranoiden Nerv in Marlons Körper aktiviert. Er hatte sich an ihren Evakuierungsplan erinnert. Da er seine Mitbewohner recht gut kannte, konnte er sich vorstellen, dass sie ähnlich erregt waren wie er.
    Wenn es tatsächlich zu einem Zombieangriff gekommen wäre, hätten sie vielleicht eine Ahnung gehabt, wie sie reagieren sollten. Eine gewaltige Massenschießerei mit Maschinengewehren in der Wohnung über ihnen war dagegen eine Eventualität, über die sie nie nachgedacht hatten und die sie erst einmal erstarren ließ.
    Sie wollten ihre Nachbarn gar nicht kennen lernen oder von ihnen behelligt werden, weshalb sie versuchten, sich diesen gegenüber genauso zu verhalten. Das war ein fester Grundsatz von Marlon, der mit fünfundzwanzig der Älteste war. An solchen Orten lebte er seit ungefähr zehn Jahren, seit er die Mittelschule geschmissen hatte, um ein Zhongguo Kuanggong , ein chinesischer Goldgräber, zu werden und dem Gewerbe des Dailian , des Levelsteigerns in World of Warcraft und des Verkaufs von Charakteren auf höchster Stufe an Kunden in Omei , Europa-Amerika, nachzugehen. Anfangs hatte er an Orten wie diesem nur gehaust, nicht gearbeitet. Tag für Tag war er aufgestanden und hatte seinen Basketball durch die Straßen von Xiamen zu einem Bürogebäude gedribbelt, das ein mittelgroßes Goldfarm-Unternehmen beherbergte: fünfundsiebzig Computer, die im Schichtbetrieb von zweihundert Bergarbeitern benutzt wurden. Da aber jeder das von einem beliebigen Computer mit Internetanschluss aus machen konnte, bestand kein Grund, für eine Firma zu arbeiten, die einen Teil des Verdienstes einbehielt, und so hatten sich er und ein Dutzend andere Zhongguo Kuanggong nach zwei Jahren abgespalten und in einer Wohnung, in der sie alle gearbeitet und die meisten von ihnen gewohnt hatten, ihre eigene Gruppe gegründet.
    Das hatte weniger als zwei Jahre gehalten. Marlons gegenwärtige Gruppe – die Leute in dieser Wohnung – war aus einem allmählich entstandenen Riss zwischen zwei Lagern hervorgegangen, der irgendwann so groß geworden war, dass man ihn nicht mehr hatte übertünchen können. Das eine wurde mit der Zeit konservativer, da einige seiner Mitglieder heirateten und begannen, sich um eine stabilere Lebensweise zu bemühen. So langsam sahen sie regelmäßigere und sicherere Einkünfte im heimischen Markt, wo sie eine Anzahl in China beheimateter Spiele, darunter vor allem Aoba Jianghu, zur Auswahl hatten, sodass sie sich keine Sorgen mehr zu machen brauchten, dass Blizzard, die Firma, die World of Warcraft betrieb und einige Anstrengungen unternahm, Goldfarmer aus dem Geschäft zu drängen, hart gegen sie vorgehen würde. Marlons Lager dagegen sah größere Chancen, allerdings auch ein größeres Risiko darin, sich auf WoW für den internationalen Markt zu konzentrieren.
    Jedenfalls war es das, worüber sie stritten ; es war der vorgeschobene Grund für die Spaltung. Manche der Bergarbeiter schämten sich, dass sie in überfüllten Wohnungen hausten und mit dieser Art von Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienten. Sie wollten aussteigen, oder, wenn das nicht möglich war, zumindest die Art ihrer Arbeit grundlegend verändern. Die Mitglieder von Marlons Gruppe waren dagegen mit dem, was sie taten, zufrieden. Für sie war es nicht schlimmer als irgendeine andere Beschäftigung, ja sogar besser als die meisten; sie stellten

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