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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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wohl in ihr sahen; warum ausgerechnet Csongor sich so bemühte, sie zu beschützen. Warum Jones sie immer bei sich hatte. Warum Pawel und Sergej – spontan, wie sie glaubte – beschlossen hatten, sie in den Handel, den sie mit Jones abschlossen, einzubeziehen. Vor allem aber, warum Yuxia tat, was sie getan hatte. Nicht, dass sie den Lieferwagen kopfüber in das Schiff hatte stürzen lassen, denn das war keine Absicht gewesen, sondern dass sie das Taxi auf dem Pier gerammt und dabei den Airbag ins Gesicht bekommen hatte.
    In gewisser Weise war nämlich das einzig Gute, was Zula den ganzen Tag gemacht hatte, ihr Versuch gewesen, den Hackern oben zu helfen. Und das hatte Yuxia gar nicht mitbekommen. Genauso wenig »Manu« und die anderen Hacker – die Nutznießer. Nur Csongor. Aber vielleicht hatte er den anderen die Geschichte erzählt?
    Vielleicht war das alles aber auch gar nicht so rational gewesen. Vielleicht wusste Yuxia nichts von dem SOS mit der Sicherung. Vielleicht war das alles auf irgendeine übernatürliche Wirkkraft wie zum Beispiel Gnade zurückzuführen, die das Leben der Menschen durchfloss, selbst wenn sie nicht begriffen, warum.
    Und das brachte sie, dort auf der Toilette, den Blick seitwärts in den Spiegel gerichtet, an einen Punkt, der einem Gebet ähnelte. Da ihre früheren Gedanken zu diesem Thema nach wie vor Gültigkeit hatten, war es kein Gebet mit gefalteten Händen, keins von der Art »Müde bin ich, geh zur Ruh«. Eher so etwas wie ein Willensakt. Wenn es nämlich eine solche Macht wie Gnade, wie die Kraft, die Vorsehung oder Ähnliches gab, die heute in der Welt am Werk gewesen war, dann musste sie jetzt ihren Weg in das Schiff finden, in dem Yuxia festgehalten wurde, und in der rätselhaften Kette von Transaktionen, die sich da draußen abspielten, noch einen Schritt weiter gehen. Und wenn ein bewusster Willensakt von Zula das geschehen lassen könnte, dann wollte sie, dass es geschah.
    Sie riss sich zusammen, spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht und ging wieder in die Hauptkabine zurück. Pawel und Sergej waren, während sie sich auf Russisch unterhielten, immer noch damit beschäftigt, auf der großen Leinwand digitale Weltkarten herumzuschieben und Ausschnitte davon zu vergrößern. Jones war auf den Beinen, das Handy ans Ohr geklemmt, einen Finger ins andere Ohr gesteckt, und wirkte völlig perplex. Eine Weile sprach er auf Arabisch, die Stimme und die Augen ausdruckslos. Weniger besiegt, dachte sie, als vielmehr völlig erschöpft. Dann legte er auf.
    »Es steht Ihnen frei zu gehen«, sagte er, und sah Zula in die Augen.
    »Wovon reden Sie?«, sagte sie. Er konnte nämlich einen gemeinen Sarkasmus an den Tag legen, und das hier schien ein Beispiel dafür zu sein.
    »Das Schiff«, sagte er, »mit Ihrer Freundin drauf …«
    »Ja?«
    »Ist verschwunden.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Ver. Schwun. Den. Spurlos. Reagiert nicht über Funk. Das Handy wird nicht abgenommen. Kein Anzeichen von Schiffbruch. Kein Notruf.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Die Jungs, die uns am Kai abgesetzt haben«, sagte Jones. »Sie sind zu der Insel zurückgefahren, und da ist einfach nichts mehr.«
    Zula hätte nur zu gerne gezeigt, wie sehr sie sich freute, aber vorher mussten gewisse Dinge geklärt sein. »Warum erzählen Sie mir das?«
    »Weil es keine Rolle spielt«, sagte Jones. »Sie werden trotzdem in diesem Flugzeug bleiben.«
    »Meinen Sie?«
    »Ja. Sie sind nämlich illegal in China. Sie stehen in Verbindung mit Leuten, die innerhalb von ein paar Tagen mehr Morde begangen haben, als Xiamen normalerweise in einem Jahr erlebt. Für Sie gibt es nur eine Möglichkeit, aus diesem Land rauszukommen, und die besteht darin, in diesem Flugzeug zu bleiben« – Jones streckte in einer sarkastisch schwungvollen Gebärde die Hand in Richtung Pawel und Sergej aus –, »zusammen mit Ihren weißen Rittern.«
    Die rassistische Stichelei war Zula nicht entgangen. »Ich würde Ritter jeder Hautfarbe nehmen«, sagte sie. Wortspiel als Ersatz für Handlung. Denn sie wusste, dass Jones recht hatte. Dieses Flugzeug war ihr einziger Ausweg.
    »Okay«, verkündete Pawel, »wir haben Plan zum Rauskommen.«
    »Und wie geht der?«
    »Jetzt Flugplan aufgeben«, sagte Pawel. »Später erklären.«
    »Dann geben Sie ihn auf«, sagte Jones. »Ich halte erst mal ein Nickerchen.«

Fünfter Tag
    Eine Reihe nervöser und manchmal haarsträubender Missverständnisse führte, keinen Augenblick zu früh, zu folgender

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