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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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und nahm sie mit zu einem Punkt, den sie zu Fuß in zehn erreicht hätte.
    Während sie auf ihn wartete, war sie so geistesgegenwärtig gewesen, einen Blick auf das Handy zu werfen, das sie benutzte, und hatte eine neue SMS gelesen: MACHE BESORGUNGEN – KAUFE HOCHZEITSGESCHENK FÜR NICHTE – ICH GLAUBE NEUES KÜCHENMESSER WÜRDE IHR GEFALLEN .
    »Küchenmesser« und »Hochzeitsgeschenk« waren keine festgelegten Codebegriffe. »Mache Besorgungen« klang wie ein Hinweis, dass ihre Kontaktperson beschlossen hatte, den Flughafen zu verlassen und sich an irgendeinen anderen Ort auf der Insel zu begeben. Olivia hatte jedoch keine Möglichkeit, zu erraten, wohin. Und der nächste Bus, der kam, fuhr zum Flughafen, ob sie wollte oder nicht. Sie stieg ein. Es gab drei freie Sitze. Sie wählte einen im Gang, da sie ihr Gesicht nicht am Fenster präsentieren wollte.
    Sie rätselte immer noch über die Nachricht, als der Bus vor dem Hauptterminal anhielt und ungefähr zwanzig Einheimische, hauptsächlich Flughafenpersonal, ausspie. Als Olivia in das Terminalgebäude blickte, gingen all ihre Alarmglocken auf einmal an. Alle üblen Dinge, auf die zu achten man ihr beigebracht hatte, waren hier zu sehen, so als steckte sie mitten in einem Agentenausbildungsfilm, der ganz bewusst dafür konzipiert war, das schlimmste vorstellbare Szenario darzustellen. Auf jeder Bank, an jeder Snackbar, jeder Sicherheitsschleuse lungerten ein oder zwei wachsame Männer herum, die so taten, als wären sie mit ihren Handys beschäftigt. Manche von ihnen besaßen sogar die Unverschämtheit, drinnen Sonnenbrillen zu tragen.
    Sie sah genau, was Sokolow vorausgeahnt hatte: Die Festlandspolizei hatte heute Morgen die Fähre mit Schlägern in Zivil vollgestopft, die den Flughafen und alle anderen Orte, an denen Olivia und Sokolow auftauchen könnten, überschwemmt hatten. Sie hielten nach jedem Weißen Ausschau – vor allem aber einem, der in Begleitung einer Chinesin unterwegs war.
    Was diese Männer tatsächlich unternehmen würden, wenn sie die beiden zusammen sähen, war ihr nicht klar. Sie hatten nicht die Befugnis, auf taiwanesischem Boden irgendjemanden festzunehmen. Eine Schießerei in der Öffentlichkeit war unwahrscheinlich. Sie konnten aber Fotos machen und einen Riesenskandal auslösen.
    Genau dasselbe musste Olivias Kontaktperson, als sie aus dem Flugzeug stieg, gesehen und daraufhin beschlossen haben, hier zu verschwinden.
    Sie blieb im Bus, sank tiefer in ihren Sitz und spähte durch den unteren Rand eines schmutzigen Fensters. Ein untersetzter Mann mittleren Alters, der einen unförmigen Anzug und eine verspiegelte Sonnenbrille trug, lehnte an einem Werbeschaukasten, rauchte eine Zigarette und blaffte in ein Handy. Als der Bus losfuhr, bemerkte sie, dass der Schaukasten mit Küchenschneidwaren gefüllt war – den traditionellen chinesischen Hackmessern. Was endlich ihr Gedächtnis auf Trab brachte. Die Insel befand sich in Artilleriereichweite von Xiamen, und während der späten Fünfzigerjahre war sie mit einer halben Million Granaten beschossen worden, denen fünf Millionen mit Propagandamaterial gefüllte Geschosse gefolgt waren. Einheimische Handwerker hatten die Granathülsen ausgegraben und den Stahl zur Herstellung von Hackmessern verwendet.
    Wenn man Sorge hatte, gestört oder belauscht zu werden, war die Messerfabrik ein idealer Ort für ein Treffen. Sie war einfach ein weitläufiger offener Industriebau, in der Mitte mit vielen Tausend alten verrosteten Geschossen gefüllt, die die Form von Kugeln und die Größe von Melonen besaßen. Mit Trennschleifern, die aufheulten wie arme Seelen und dabei ein Höllenfeuer aus weißen Funken versprühten, schnitten Arbeiter sie in zigarettenschachtelgroße Stücke. Nachdem diese auf mechanische Weise flach gehämmert worden waren, wurden sie zur Wärmebehandlung in einen tosenden Anlassofen geschoben. Am Ende wurden die gehärteten Platten auf steinernen Schleifscheiben zu Messern geschliffen und auf Bandschleifmaschinen poliert, die aussahen und klangen, als könnten sie einem, ohne dass man es merkte, einen Finger ausreißen. Die Methode, aus Geschosshülsen Messer zu machen, war so ungewöhnlich, dass die Fabrik Führungen anbot. Olivia schloss sich einer Gruppe von fünf anderen an, die mit dem Flugzeug aus Taiwan gekommen waren, um das Werk zu besichtigen und Messer zu kaufen.
    Auf dem Weg hierher hatte Olivia genug Zeit gehabt, sich darüber klar zu werden, was die Anwesenheit

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