Error
fragte sie sich hundertmal am Tag, was wohl aus den anderen geworden war. Lebten sie überhaupt noch? Und wenn ja, fragten sie sich dann, was aus Zula geworden war?
Was aus Zula geworden war: Das hätte einiges an Erklärungen erfordert, die Zula nicht liefern konnte, da man ihr nicht viel erzählte. Indizien (der am Zündschloss baumelnde Schlüsselbund) machten deutlich, dass der seltsame Pickup mit den Panzerketten unter Gewaltanwendung gestohlen, und nicht kurzgeschlossen worden war. Es schien am einfachsten zu sein, davon auszugehen, dass der Mensch, dem sie ihn gestohlen hatten, tot war; es wäre verrückt von ihnen gewesen, das Opfer am Leben zu lassen, damit es die Mounties rufen konnte. Was für ein Mensch fuhr in der matschigen Jahreszeit mit einem solchen Fahrzeug in den Bergen von British Columbia herum? Es handelte sich ganz offensichtlich um ein Arbeits- und nicht um ein Campingfahrzeug, weshalb der Besitzer so etwas wie ein Hausmeister oder Verwalter sein musste. Vielleicht war das Bergwerk gar nicht so verlassen, wie sie vermutet hatten; vielleicht lag in diesen Bergen eine ganze Reihe solcher Immobilien verstreut, und man hatte einen hiesigen Hansdampf angeheuert, der von Zeit zu Zeit nach ihnen sah.
Die Frage, die Jones beschäftigte, musste also lauten: Wie lange würde es dauern, bis man dieses Opfer vermisste? Denn das Fahrzeug, mit dem sie hier herumfuhren, war, von einem Zeppelin abgesehen, so ziemlich das denkbar auffälligste Fortbewegungsmittel, und dass fünf Dschihadisten und eine junge schwarze Frau hineingequetscht waren, machte es nicht gerade einfacher, sich unauffällig in den normalen Verkehr auf den Nebenstraßen von British Columbia einzufügen.
Gegen drei Uhr nachmittags laut der Uhr am Armaturenbrett hielten sie an einer Stelle, von der aus sie kilometerweit ein größtenteils ödes, mit Felsen übersätes Tal hinunterblicken konnten. Mittendurch floss ein breiter Bach, ein Geflecht aus Wasserrinnen, die sich zwischen Gletscherablagerungen hindurchschlängelten. Rechts vom Wasserlauf und in etwa parallel dazu verlief eine asphaltierte Straße, die ihn einige Kilometer talabwärts auf einer niedrigen Brücke überquerte. Sie befanden sich immer noch im Wald; in den vergangenen zwei Stunden waren sie etwas schneller als im Schritttempo vorangekommen, hatten dabei alles Laubwerk niedergewalzt, das dem unerbittlichen Vordringen des Pickups nicht widerstehen konnte, waren Bäumen ausgewichen, die zu groß waren, als dass sie umgefahren werden konnten, hatten manchmal Hänge gequert, die so steil waren, dass Zula die Hände gegen das Wagendach stemmte, weil sie damit rechnete, dass der Wagen seitlich umkippen würde, und waren manchmal Hänge hinuntergefahren, die so steil waren, dass nichts darauf wachsen konnte. Das vordere Ende des Pickups sah aus wie das Innere eines Rasenmähers: zentimeterdick mit Pflanzenbrei und Schlamm beschmiert. Sie hatten sich der Stelle genähert, indem sie einem Zufluss gefolgt und dabei mal mitten im Bachbett gefahren, mal in den umliegenden Wald ausgewichen waren. Jetzt hatten sie am Waldsaum angehalten. Vor ihnen fiel das Gelände stark ab, der Zufluss gelangte über eine Abfolge von Stromschnellen und Wasserfällen bis zu der Stelle, wo er in den größeren Fluss einmündete. Möglicherweise würde der Pickup die steile Abwärtsfahrt überstehen und es, falls er sie überstand, bis zur Straße und noch ein paar Kilometer weiter schaffen, ehe ihnen der Sprit ausging. Wenn er jedoch, was durchaus wahrscheinlich war, auf der Fahrt nach unten zwischen Felsen steckenblieb oder kaputt ging, läge er an einer Stelle fest, die von der Straße und aus der Luft deutlich zu sehen war. Am besten ließ man ihn hier. So ungefähr, vermutete Zula, verliefen die Überlegungen, die Jones anstellte. Er schaltete in den Rückwärtsgang, fuhr tiefer zwischen die Bäume und stellte dann den Motor ab.
Es war offensichtlich nicht das erste Mal, dass die Dschihadisten ein Fahrzeug in den Bergen tarnten. Während sie Zula vorläufig in der Fahrerkabine ließen, beschmierten sie sämtliche Fenster, Spiegel und anderen Teile, die einen Sonnenstrahl reflektieren könnten, mit Matsch. Sie luden einen Teil der Ausrüstung ab – nur das, was sie aus eigener Kraft tragen konnten. Sie suchten im Wald nach Farnwedeln, Heidelbeersträuchern und Zedernzweigen, die sie abhackten oder ausrissen, herbeischleppten und an den Pickup lehnten oder um ihn herum aufschichteten. Irgendwann
Weitere Kostenlose Bücher