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Error

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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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erlaubte sie sich, in den Wald zu spähen. Keiner von den Männern bemerkte es; es war ihnen egal.
    Aber sie hatte zu lang gewartet. Die Sonne war schon hinter den Bergen. Inzwischen spendete das Feuer fast mehr Licht als der Himmel. Doch sie war geduldig, kehrte dem Sonnenuntergang und dem Feuer den Rücken zu und wartete darauf, dass ihre Augen sich anpassten, während sie in die fast völlige Schwärze des Waldes starrte.
    Sie sah nichts. Es gab nichts zu sehen.
    Doch irgendetwas beschäftigte sie. Nach allem, was Menschen ihr angetan hatten, schien es unvorstellbar, dass irgendetwas aus der Natur irgendeinen Schrecken für Zula bergen könnte. Doch da draußen war irgendetwas, und es versetzte sie in Schrecken. Nicht verstandesmäßig, im Sinne eines Ich hoffe, Jones hat ihnen nicht befohlen, mich umzubringen, sondern auf einer viel tieferen Ebene.
    Sie spürte ein Kribbeln hinten auf ihrer Kopfhaut. Das war etwas, was in ihrem Leben nur ganz wenige Male passiert war. Ihre Haare versuchten sich aufzurichten wie die eines Hundes, der größer erscheinen will, als er ist, weil er spürt, dass er es mit etwas zu tun hat, das groß genug ist, um ihn zu töten.
    Doch ganz gleich, wie lange sie in die tiefer werdenden Schatten starrte, sie sah nichts weiter. Schließlich beschloss sie, sich davon loszureißen und sich um das Kochen zu kümmern. Sie setzte eine Ferse auf und drehte sich um.
    Ein Funkenpaar zog schwache rote Linien über ihren Augenwinkel.
    Sie lernte hier eine alte Lektion neu: Das periphere Sehvermögen war für Bewegungen empfindlicher als das zentrale. Sie drehte sich wieder um, bewegte dabei den Kopf hin und her wie ein Wolf, der nach einer Fährte sucht, und sah abermals flüchtig die beiden Funken.
    Da waren sie. Jetzt hatte sie sie. Zwei rote Lichtpunkte.
    Sie waren ihr zunächst entgangen, weil sie nicht auf Bodenhöhe waren, wo sie danach gesucht hatte. Sie waren hoch oben auf einem Baum.
    Sie hatte sich schon beinahe eingeredet, dass es sich bloß um Harztröpfchen handelte, in denen sich der Feuerschein spiegelte, als sie einen Moment lang erloschen und dann wieder auftauchten.
    Einige Stunden später trug die Strategie des Anlockens wilder Tiere, ob zum Guten oder zum Schlechten, Früchte. Zula hatte keine Ahnung, wie spät es war – eine Uhr wäre ihr sehr gelegen gekommen –, aber der Osthimmel begann noch nicht hell zu werden. Vielleicht drei Uhr morgens.
    Sie war eingedöst, wurde nun jedoch von raschelnden Geräuschen in der Nähe der Zelte der Dschihadisten geweckt.
    Sie griff nach oben und öffnete das Schloss, dann sprach sie ein kleines Gebet oder fasste den Beschluss, dass sie es nie mehr tragen würde.
    Dadurch wurde es möglich, einige von den Fleecepullovern auszuziehen, die sie trug, seit man ihr die Kette angelegt hatte. Darüber hatte sie Kleidungsstücke mit Reißverschluss angehabt, die sie auch bei angelegter Kette aus- und anziehen konnte, aber schon vor einigen Stunden, beim Zubettgehen, abgelegt hatte. Ausgezogen bis auf eine lange Unterhose und ein langärmeliges Unterhemd aus dunkelblauer Kunstfaser, stopfte sie die dicken Fleeceteile in ihren Schlafsack, damit es so aussah, als läge sie noch darin.
    Sie hatte eine Plastikeinkaufstüte mit Kiefernnadeln gefüllt, bis sie eine runde Form von Kopfgröße bildete, dann eine Mütze darübergezogen und so einen falschen Kopf hergestellt. Diesen steckte sie in die Kapuze eines Pullovers, schnürte den Kordelzug darum fest, zog dann den oberen Rand des Schlafsacks darüber und schob alles so zurecht, dass es im Licht eines ins Zeltinnere gerichteten und darüberhin streichenden Taschenlampenstrahls so aussähe, als hätte sie sich zusammengerollt und den Rand des Schlafsacks übers Gesicht gezogen. Sie schob das Ende der Kette an der entsprechenden Stelle darunter.
    Der Reißverschluss des Zelteingangs war bereits geöffnet; darum hatte sie sich früher gekümmert. Erst nachdem sie alle diese Vorbereitungen getroffen hatte, zog sie die Eingangsklappen einen Spalt breit auseinander und spähte hinaus.
    Im Mondlicht konnte sie mindestens zwei Tiere herumtapsen und die von ihr zurückgelassenen Essensabfälle einsammeln sehen. Angesichts des Lärms, den sie dabei machten, hatte Zula vermutet, dass es sich um Bärenjunge handelte. Es waren aber nur Waschbären.
    Sie erkannte nun zu spät, dass es ein Fehler gewesen war, Abfälle auszulegen. Diese hatten Tiere angelockt, die groß genug waren, um die Männer zu wecken, aber

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