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Error

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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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nicht groß genug, um eine wirkliche Bedrohung für sie dazustellen.
    In jedem Fall konnte sie nicht einfach im Zelteingang hocken bleiben. Früher oder später würden die Männer aufwachen. Sie schlüpfte aus dem Zelt. Die feuchte Luft ließ sie bis in die Knochen frieren, aber sie wusste, dass sie bald genug schwitzen würde. Bemüht, die Kälte zu ignorieren, ging sie in gerader Linie mit entschlossenen Bewegungen auf das Zelt zu, das sich Zakir und Sayed miteinander teilten. Die Wanderstiefel des Letzteren – nagelneue aus dem Walmart – standen sauber ausgerichtet davor. Mit einer raschen Handbewegung – einer Bewegung, die sie die ganze Nacht in Gedanken geprobt hatte – pflückte sie sie vom Boden und drehte ab. Nun steuerte sie das Zelt an, das sich Ershut und Jahandar miteinander teilten. Sie hatte die Absicht, sich auch deren Stiefel zu schnappen und mit in den Wald zu nehmen. Über Zakir machte sie sich keine großen Gedanken, aber diese beiden barfuß zurückzulassen würde ihr ungeheuer helfen.
    Etwa sieben Meter von ihr entfernt schoss etwas durch ihr Blickfeld, etwas Dunkelgraues, das sich vor noch dunklerem Grau blitzschnell bewegte. Man hörte ein Gerangel und einen Schrei, als würde ein Kleinkind von einem Auto überrollt. Zula erstarrte. Stehen zu bleiben war keine gute Idee, aber ihr Verstand arbeitete im Augenblick nicht auf der Ebene von Ideen.
    Es entspann sich so etwas wie ein Kampf, der die Wände von Ershuts und Jahandars Zelt wackeln ließ, ein Hin und Her über den Boden, von dem Stöcke und Abfall aufstoben.
    Ein Waschbär war von einem anderen Tier angegriffen worden. Einem, das ihm nachgepirscht war.
    Zula machte kehrt und rannte los.
    Sie würde nie erfahren – und es interessierte sie auch nicht sonderlich –, in welcher Reihenfolge sich die Dinge im Zeltlager abgespielt hatten. Ershut und Jahandar hatten unmöglich weiterschlafen können. Bestimmt waren sie mit gezogenen Waffen aus dem Zelt gekrochen und hatten das grausame Gesetz der Natur in seinem Vollzug oder vielleicht nur noch in seinen blutigen Auswirkungen gesehen. Ohne zu wissen, dass hundert Meter entfernt zwischen den Bäumen Zula auf dem Boden saß und sich Sayeds Stiefel anzog. Bestimmt hatte ihr Körper wie wahnsinnig Adrenalin ausgeschüttet. Vielleicht hatten sie gelacht, als ihnen klar geworden war, dass der ganze Wirbel nur von ein paar wilden Tieren herrührte, die in der Nacht miteinander rauften. Vielleicht hatte dieses Gelächter Zakir und Sayed geweckt, wenn sie nicht schon wach gewesen waren, und vielleicht hatte Sayed aus dem Zelt geschaut und bemerkt, dass seine Stiefel nicht mehr da waren. Oder vielleicht war Ershut mit einer Taschenlampe zu Zulas Zelt gegangen, hatte einen Blick hineingeworfen und die Täuschung bemerkt oder auch nicht.
    Sie wusste nur, dass binnen etwa einer Viertelstunde nach ihrem Abgang Taschenlampenstrahlen die Bretterlawine hinter ihr hinunterhüpften, dem Pfad entgegen, auf dem Zula rannte, so schnell sie konnte.
    Sie rannte noch schneller.
    Eine Welle von Übelkeit überschwemmte sie, und sie musste stehen bleiben, um sich zu übergeben. Ihre Hände prickelten. Sie nahm nicht genügend Sauerstoff auf. Sie war anaerobisch gerannt. Ihr blieb nichts übrig, als die nächsten Kilometer in gemessenerem Tempo zu nehmen. Hinter sich – etwa anderthalb Kilometer entfernt – konnte sie einen rhythmisch hüpfenden Taschenlampenstrahl sehen, während der Lampenträger den Pfad entlangsprintete. Das vermittelte ihr eine ungefähre Vorstellung, wie viel Zeit sie, beim Schloss angelangt, haben würde, um hineinzukommen und die Polizei zu rufen. Im Augenblick sah es ziemlich günstig aus. Von der Übelkeit noch leicht zitternd, fühlte sie sich trotzdem besser, während ihr Herz und ihre Lunge das Sauerstoffdefizit abtrugen und sie Tempo aufnahm, bis sie die schnellste Geschwindigkeit erreicht hatte, die sie aufrechterhalten konnte.
    In ihrer Vorstellung hatte die Entfernung vom Zeltplatz bis zum Schloss mit jeder Stunde zugenommen, die sie an dem Baum angekettet gewesen war. Deshalb war sie verblüfft, als sie im Mondlicht eines der Dächer des Gebäudes sah. Sie hatte die Entfernung in sehr kurzer Zeit zurückgelegt. Sie riskierte es, leicht abzubremsen, damit sie über die Schulter nach hinten schauen konnte: Das hüpfende Licht verfolgte sie immer noch, war vielleicht etwas näher als beim letzten Mal, aber immer noch ein paar Minuten entfernt.
    Sie probierte es an der Eingangstür,

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