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Error

Error

Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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sicherte seine Pistole, steckte sie ins Schulterhalfter und begann auf Ellbogen und Knien aus der Rinne herauszukriechen. Als er eine Stelle erreichte, wo er still liegen konnte, wühlte er sich, so gut es ging, in trockenes Laub und Kiefernadeln ein und wartete reglos. Aber er musste nicht lange warten, bis er den Scharfschützen vorbeikommen sah, der mühsam durch den Schnee stapfte und schlitterte und sich gerade so weit entfernt parallel zur Baumgrenze hielt, dass ihn mit einer Pistole zu treffen das reinste Wunder gewesen wäre. Im Gehen blickte er immer wieder nervös zu den Bäumen. Er wusste, oder argwöhnte zumindest, dass er in Sichtweite von jemandem war, der die feste Absicht hatte, ihm zu folgen. Aber Seamus hatte richtig vermutet: Der Scharfschütze konnte einfach nicht länger warten. Er hatte talabwärts etwas Dringendes zu erledigen.
    Der für ihn naheliegende Trick wäre, sich außer Sicht zu begeben, anzuhalten, sich zu verstecken und zu warten, bis Seamus ihm ins Visier stolperte. Dementsprechend ließ Seamus sich Zeit und bewegte sich, als er sich schließlich dazu entschloss, in der Deckung des Laubwerks, das die Rinne säumte. Hinter der Engstelle, wo Jack sich versteckte, verbreiterte sie sich stetig und wurde irgendwann zu einem Tal, schneefrei und stark bewaldet. Im Verlauf der nächsten Viertelstunde konnte Seamus, ohne seine Deckung preiszugeben, die Fußabdrücke des Scharfschützen im Schnee verfolgen. Doch irgendwann führte die Spur in den Wald hinunter, sodass Seamus gezwungen war, den Einsatz etwas zu erhöhen und dem Scharfschützen wie einem Stück Wild nachzupirschen. Ehe er ins Tal abstieg, hielt er einige Augenblicke inne, um einen ausgiebigen Blick in die Runde zu werfen, sich seine Umgebung genau einzuprägen, sich zu vergewissern, dass ihm nichts entging, was später wichtig sein könnte. Zum Beispiel ein weiteres Kontingent von Dschihadisten, die die Nachhut bildeten. So etwas nicht zu bemerken wäre peinlich.
    Er sah kein weiteres Kontingent von Dschihadisten. Doch ihn beunruhigte das Gefühl, er habe etwas gesehen, das sich auf dem Schnee bewegte und dabei grob dem Pfad folgte, den der Scharfschütze genommen hatte. Er ließ den Blick die Spur, die der Scharfschütze gemacht hatte, in ganzer Länge hinauf- und hinunterwandern und überzeugte sich, dass dort nichts war. Ab und zu jedoch glitt sein Blick über einen Fleck khakifarbenes Gestein, wo die Sonne den Schnee weggeschmolzen hatte, und man musste zugeben, dass solche Stellen ein ausgezeichnetes Versteck für alles abgäben, was zufällig von hellbrauner Farbe war. Nachdem er eine Weile angestrengt Ausschau gehalten und fast ebenso angestrengt nachgedacht hatte, redete er sich ein, dass auf einem dieser Flecken vielleicht etwas kauerte, zu ihm hersah und darauf wartete, dass er den Blick abwandte, damit es sich wieder in Bewegung setzen konnte.
    Es mochte echt oder bloß seine Einbildung sein. Aber wenn es echt war, konnte er den ganzen Tag hier sitzen und es anstarren, und es würde nie etwas passieren. Also wandte er ihm den Rücken zu und schlich in den Wald.
    Während ihrer Zeit unter den Dschihadisten hatte Zula sich oft darüber amüsiert, wie schludrig und leger sie bestimmte Dinge in Angriff nahmen. Sie erkannte darin etwas von ihrem eigenen Erbe: eine Denkart und eine Reihe von Gewohnheiten, von denen Bewohner Iowas sie irgendwann abgebracht hatten. Es hatte etwas mit der Art und Weise zu tun, wie solche Leute ein Risiko einschätzten. Manche mochten es einen aus religiösen Lehren hervorgehenden Fatalismus nennen; andere mochten darauf hinweisen, dass Menschen, die in Gegenden aufwuchsen, wo Krieg, Krankheit und Hungersnot chronische Zustände sind, natürlich andere Instinkte und Reaktionen ausbildeten, was Gefahr anging.
    Und deshalb war Zula, als der Dschihadist mit der Pistole ins Freie geschlendert kam und den offenen Hang hinauf direkt auf sie zuzumarschieren begann, nicht ganz so verblüfft, wie sie es vielleicht gewesen wäre, wenn sie niemals Menschen kennen gelernt hätte, die eine Dritte-Welt-Einstellung zum Risiko an den Tag legten.
    Es konnte auch sein, dass der Mann einfach nicht kapierte, dass sie bewaffnet war. Sie hatte die Waffe in letzter Zeit nicht abgefeuert, hatte sie ihnen auch ganz bestimmt nicht gezeigt. Er bildete sich ein, er könnte einfach den Hang hinaufmarschieren, an sie herankommen und sie erschießen.
    Aber vielleicht hatten sie ja auch vor, sie wieder

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