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Error

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Titel: Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Stephenson
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dass die Räder ihnen sehr zustattenkommen würden, sobald sie diesen Teil der Strecke hinter sich gebracht hatten. Zula gab keine Antwort, und es war ihr eigentlich auch egal; sie war in einen stumpfen, halb komatösen Zustand verfallen, in dem ihr sämtliche Vorgänge um sie herum so vorkamen, als würden sie von einem kaputten Projektor mit schlechter Tonanlage undeutlich auf eine Leinwand geworfen.
    Aber irgendwann kamen sie an eine Stelle, von der aus sie einen eindeutigen und halbwegs klar umrissenen Pfad hinunter in ein mit dunklem Wald bestandenes Tal sehen konnten, und Zula erinnerte sich an Onkel Richards Geschichte, wie er vor langer Zeit nach einer elenden Latscherei über einen schattenlosen Hang bei Gluthitze zufällig auf den Prohibition Crick gestoßen war. Sie hatte das Gefühl, den Weg hinunter aus irgendeinem Familieninstinkt heraus zu kennen, und ignorierte Olivias teilnahmsvolle Fragen und höfliche Vorschläge, anzuhalten und etwas zu essen und zu trinken. Sie warf ein Bein über den Sattel ihres Fahrrads, ließ sich von der Schwerkraft in das Tal hinunterziehen und drückte alle ein, zwei Sekunden die Bremsen, um nicht die Kontrolle zu verlieren. Sie konnte hören, wie Olivia ihr in ähnlichem Stil folgte. Auch dieser Weg wies viele Serpentinen auf, aber abwärts per Fahrrad waren Serpentinen natürlich die reine Ekstase verglichen mit aufwärts und zu Fuß, und so tat sie die ersten Minuten nichts als die Fahrt zu genießen und zu spüren, wie ihre Lebensgeister wieder erwachten. Dann drang ihr Olivias Stimme, die sie auf irgendetwas aufmerksam machte, ins Bewusstsein. Sie kam schlitternd zum Stehen und lauschte. Unterhalb von ihnen schnarrte ein Motor: keine Kettensäge, sondern irgendein Fahrzeug, ein Geländemotorrad oder ein Quad.
    »Das könnten deine Onkel sein«, sagte Olivia. Wahrscheinlich der falsche Rat für Zula, deren Reaktion darin bestand, dass sie die Bremsen löste und das Fahrrad mit einer an Kontrollverlust grenzenden Geschwindigkeit den Berg hinuntersausen ließ. Sie schaffte es, gerade genug abzubremsen, um nicht aus der nächsten Serpentine getragen zu werden, schlitterte herum, wurde wieder schneller und musste dann hart bremsen, um einen Frontalzusammenstoß mit einem in Tarnmuster lackierten Quad zu vermeiden, das aus der anderen Richtung kam.
    Onkel Jake fuhr, und Onkel John saß auf dem Sozius hinter ihm, beide trugen Gewehre und zeigten besorgte Mienen. Die Verwandlung, die sich mit ihren Gesichtern vollzog, als sie den Weg von Zula verstellt sahen, war, wie sie hoffte, etwas, woran sie sich für den Rest ihres Lebens erinnern und wovon sie beim Familientreffen erzählen konnte.
    Natürlich hatte Richard, da Jones ihm mit vorgehaltener Pistole durch das Schloss folgte und ihm befahl, sich zu beeilen, hastig gepackt. An warmen Kleidern, unter denen er hatte auswählen können, hatte kein Mangel geherrscht. Es hatte sich durchweg um Skikleidung gehandelt; ins Schloss kam man nicht zum Jagen. Er trug jetzt einen gelben Parka und rote Schneehosen mit weißen Handschuhen und einer blauen Mütze. Darunter ein grünes Flanellhemd und Bluejeans. Er konnte also durch Ablegen der Oberbekleidung dafür sorgen, dass er weniger auffiel, würde dann allerdings erfrieren.
    Qian Yuxia trug genau das, was der Arzt für Geschichten dieser Art verschrieb: von Kopf bis Fuß Tarnkleidung. Als Richard, mehr aus schwarzem Humor als aus sonst einem Grund, auf das Missverhältnis hinwies, bot sie sofort an, mit ihm zu tauschen. Aber das hätte viel Zeit gebraucht; ihre Kleider hätten nicht viel von seinem Körper bedeckt; und am Ende wäre sie in ihrer Unterwäsche erfroren oder ein buntes Allerlei von Primärfarben in Jahandars Zielfernrohr gewesen.
    Also bot sie an, die Flinte zu nehmen, sich ein gutes Versteck zu suchen und Jahandar wegzupusten, wenn er vorbeikam. Was Richard nicht ernstgenommen hätte, wenn es gewisse andere Frauen von Yuxias Alter und Statur vorgeschlagen hätten. In ihrem Fall fand er es vollkommen glaubhaft. Aber es wäre das erste Mal gewesen, dass sie je eine Schusswaffe abfeuerte. Sie hätte nur eine Chance. Sie müsste warten, bis er ganz nahe war; falls sie sich mit der Entfernung vertat und zu früh schoss, würde sie ihn verfehlen oder nur leicht verwunden, und dann würde er sie mit Hochgeschwindigkeitsgeschossen erledigen, während Richard von einem Versteck aus hilflos zusah. So wollte Richard seine letzten Minuten auf der Erde eigentlich nicht

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