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verbringen.
Die Zeit wurde knapp, und sie redeten zu viel. Yuxia wurde so etwas wie ein Problem, weil sie sich einfach nicht mit weniger als einer aktiven Rolle beim Tod von Jahandar zufriedengeben wollte. Von weiter unten am Hang waren schwache, raschelnde Geräusche zu hören, die sich auf vielerlei Art erklären ließen, doch war es am klügsten, davon auszugehen, dass sie von dem näher kommenden Scharfschützen herrührten.
Sie regelten es folgendermaßen: Richard bewegte sich von ihrer derzeitigen Serpentine aus bergab und kauerte sich hinter den Wurzelballen eines riesigen Baums, der geradewegs den Hang hinuntergestürzt war. Der Wurzelballen war mindestens vier Meter im Durchmesser, eine zottelige Sonnenmonstranz aus gewaltigen, aber flachen Wurzeln, deren Zwischenräume mit brauner Erde und Moos verfugt waren. Er ragte als beinahe senkrechte Wand über ihm auf. Richard hätte nicht gründlicher vor Blicken geschützt sein können; Jahandar konnte den Hang hinaufspähen, so viel er wollte, er konnte das Wegstück hinaufsteigen, das etwa zehn Meter unterhalb der Stelle verlief, wo Richard kauerte, und würde keinerlei Anzeichen dafür sehen, dass Richard da war. Umgekehrt galt allerdings auch, dass Richard ihn nicht sehen konnte.
Yuxia manövrierte sich inzwischen an eine Stelle direkt oberhalb von Richard, wo sie sich ins Unterholz hocken und, von unten fast unmöglich zu sehen, Ausschau halten konnte. Sie hatte einen Panoramablick auf den Hang unterhalb von ihr und konnte Richard aus einer Entfernung von etwas über fünfzehn Metern in die Augen sehen. Sie würde abwarten, bis Jahandar genau unterhalb von Richard vorbeikam, und in dem Moment, in dem sich der Scharfschütze genau auf Höhe des Wurzelballens befand, beide Hände in die Luft strecken.
Den Blick auf Yuxias Gesicht gerichtet, wartete Richard und lauschte auf die Geräusche des Waldes.
Zehn Minuten verstrichen in einem Zustand, der, was ihn anging, sehr nahe an Glückseligkeit heranreichte.
Zula war am Leben. Er hatte sie gesehen. Aber das erklärte die Glückseligkeit nicht. Schließlich war Chet tot. Außerdem wartete oben auf dem Kamm ein schwer verletzter Hubschrauberpilot auf Rettung. Alles Glück, das er wegen Zula empfand, müsste eigentlich von Traurigkeit der anderen wegen überschattet werden.
Daran lag es also nicht.
Er befand sich in einer herrlichen Wildnis, die er seit fast vierzig Jahren kannte, saß einfach nur da und wartete, wachsam und lebendig, zerschrammt, halb unter Schock, aber aus ebendiesem Grund wahrscheinlich auch bis in die Haarspitzen unter Endorphinen und Adrenalin. Und niemand konnte ihn über Handy oder E-Mail, Twitter oder Facebook erreichen und ihm auf die Nerven gehen. Zum ersten Mal, soweit er zurückdenken konnte, war sein ganzes Denken, seine ganze Aufmerksamkeit, auf eine einzige Sache konzentriert.
Von weiter oben hörte man es gelegentlich knallen: Leute, die aufeinander schossen, nahm er an. Das meiste hörte sich tastend, sondierend an. Wie nannte John das doch gleich? Aufklärung durch Feuer. Doch dann kam es zu einem längeren Schusswechsel, Dutzende von Schüssen wurden abgegeben, einige aus halbautomatischen, andere aus vollautomatischen Waffen, und er hatte das Gefühl, das Ganze hätte sich irgendwie zugespitzt.
Er wusste, eine Seite dieses kleinen Krieges mussten Jones und seine Dschihadisten sein, aber wer stand auf der anderen Seite? Waren die Cops endlich eingetroffen? Und wenn ja, warum hatten sie dann keine Hubschrauber?
Diese Überlegungen sorgten dafür, dass seine Aufmerksamkeit eine Weile nachließ, und erschwerten es ihm zugleich, subtilere Geräusche zu hören, die von dem Pfad unterhalb von ihm kamen.
Er bemerkte, dass Yuxia heftig gestikulierte. Er bekam Schuldgefühle, da er die Vorstellung hatte, sie habe ihm schon eine ganze Weile auf diskretere Weise Zeichen gegeben, und er habe sie nicht bemerkt und sie gezwungen, ihre Deckung aufzugeben.
Ihr Gesicht nahm einen entgeisterten Ausdruck an, und sie verschwand.
Direkt hinter Richards Schulter, so kam es ihm vor, ertönte ein mächtiger Knall, und direkt hinter der Stelle, wo eben noch Yuxias Kopf gewesen war, spritzten Erde und Moos auf.
Jahandar musste den Weg hinter Richard heraufgekommen und an ihm vorbeigegangen sein, dann bergauf geschaut und Yuxia winken gesehen haben.
Richard hörte, wie der Repetierhebel betätigt wurde, die leere Patronenhülse auswarf und eine neue Patrone ins Patronenlager beförderte. Dann
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