Erschiess die Apfelsine
einmal Sabina Stare sagst.«
»Sabina Stare, Sabina Stare, Sabina Stare …«
»So, das hast du nun davon, da kriegst du einen, und noch einen, und noch, au, au, verdammt …«
»Sabina Stare, Sabina Stare, Sabina Stare, Sabina Stare, Sabina Stare, Sabina Stare, Sabina Stare …«
»Hör auf, ich gebe auf. Sabina Stare.«
»Sabina Stare oder der Tod.«
»Ja, ja, ist ja schon gut. Wenn es denn so sein soll.«
KAPUTTEL 4
Am Freitag hatten wir Politik und Gemeinschaftskunde mit dem Thema Geschlechterfragen. Birgith saß am Lehrerpult und stellte die Frage, ob es Männer und Frauen tatsächlich gibt oder ob diese Geschlechtseinteilung nur eine Konstruktion ist. Alle Jungs schwiegen. Alle Mädchen waren der Meinung, das Geschlecht sei nur eine Konstruktion. Mädchen konnten ja genau das Gleiche tun wie Jungs, den K2 besteigen, den ersten Schritt auf den Mars machen oder kickboxen, und Jungs konnten Windeln wechseln, abwaschen und weinen. Genau betrachtet waren wir vollkommen gleich, das Geschlecht war nur eine Art Übereinkunft, die jederzeit verändert werden konnte.
Da bat ich ums Wort. Es gab eine Sache, auf die ich gerne hinweisen wollte, ein kleines, aber dennoch ziemlich wichtiges Ding, das viele verschiedene Namen hatte, das wir hier im Klassenzimmer aber, wie ich vorschlug, als Penis bezeichnen sollten. Ich selbst hatte nämlich auch so einen. Und soweit ich wusste, hatten die Mädchen keinen. Aber wenn ich in diesem Punkt falsch informiert war, dann könnten wir ja gern unsere Hosen runterziehen und nachgucken.
Mehrere Mädchen meinten, ich hätte gar nichts kapiert.
Das sei schon möglich, erwiderte ich. Aber was mich betraf, so hatte ich da so einen fleischigen Auswuchs, man könnte ihn mit einem kleinen Schwanz vergleichen. Der ragte aus dem Körper heraus, wurde auch Schwanz oder Pimmel genannt, und nach allem, was ich gehört hatte, fehlte den Mädchen so etwas. Sie hatten ganz einfach keinen.
Die Wut der Mädchen stieg an. Aber ich erläuterte nur ruhig weiter meinen Standpunkt. Dieses Schwänzchen, was ich da hatte, das konnte man auch mit einer Karotte vergleichen. Aber bei den Frauen hatte man anscheinend diese Karotte abgeschnitten, da war stattdessen ein Loch. Und wenn wir nur Konstruktionen waren, dann war ich der Meinung, dass bei ihrer Konstruktion etwas fehlte, ein Baustein, den jemand vergessen hatte hinzuzufügen. Wenn die Mädchen also genauso sein wollten wie die Jungs, dann war das für mich vollkommen in Ordnung, sie konnten sich beispielsweise etwas da unten umschnallen. Ein Würstchen an einem Gürtel zum Beispiel. Oder eine kleine Gurke.
Zu diesem Zeitpunkt schrien die Mädchen nur noch. Eine warf eine Haarspange nach mir, sie waren so wütend, dass sie schwitzten und bebten. Aber ich erklärte seelenruhig weiter, dass es einfach toll war, im Stehen zu pissen, und dass ich gut verstand, dass Sitzpinkler neidisch auf Stehpinkler waren. Birgith versuchte die Mädchen zu beruhigen, forderte sie auf, nacheinander zu sprechen, aber dazu war es zu spät, es kam zum Tumult, ich habe die Mädchen noch nie so wütend gesehen, während die Jungs wie vor Schreck erstarrt dasaßen. Ich führte das mit dem Penisneid dann weiter aus, aber es gab niemanden, der mir noch zuhörte, es herrschte das reine Chaos, ich hörte Schimpfworte, von denen ich gar nicht wusste, dass Mädchen über sie verfügten, es war ein ohrenbetäubender Lärm, verursacht von all den Penislosen.
Ich habe selten so eine lustige Unterrichtsstunde erlebt.
Am Freitagnachmittag war es Zeit für Rolands Halbjahresbesuch. Es war das übliche Ritual. Zuerst stritten Mama und er sich um Geld. Dann ging ich mit ihm in die Pizzeria, wo ich mir eine Pizza aussuchen durfte, ganz gleich, welche, nur die Bearnaise spezial, die war zu teuer. Ich nahm eine Vesuvio. Er schaute mir beim Essen zu, er selbst nippte nur ab und zu an einer Tasse Kaffee, ohne sie auszutrinken. Hin und wieder ließ er irgendeinen Kommentar ab, dem nicht zu widersprechen war, er wurde geradezu in die Luft abgefeuert, hatte absolut nichts mit mir, der Pizzeria oder allem, was unsere Situation in diesem Moment betraf, zu tun, wie beispielsweise:
»Diese Politiker leben doch nur auf Kosten von uns einfachen Bürgern.«
»Die Krise der Nationalmannschaft liegt allein an ihrem bescheuerten 4-2-3-1-System.«
»Wenn dich jemand schlägt, dann musst du noch härter zurückschlagen, es ist wichtig, dass es dem anderen weher tut als dir.«
»Bei einem
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