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Erschiess die Apfelsine

Erschiess die Apfelsine

Titel: Erschiess die Apfelsine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Ärztekitteln, Metall. Pålle verschwand auf einer fahrbaren Trage, ich selbst wurde auf einen Stuhl gedrückt. Mama begrüßte die Schwestern in der Notaufnahme, man kannte sich. Sie warfen Blicke in meine Richtung und baten mich zu warten.
    »Hast du Schmerzen?«, wollten sie wissen. »Hast du Schmerztabletten genommen?«
    Ich antwortete nicht. Die Tür zum Aufnahmebereich ging auf. Eine alte Frau wurde hereingerollt, ihr Gesicht war mit einer Plastikmaske bedeckt, ein Schlauch verschwand unter einem großen Pflaster in ihrem Arm. Sie wehrte sich, schien unruhig zu sein. Eine Schwester versuchte ihre wedelnden Hände festzuhalten.
    »Wir haben Schweigepflicht, du kannst ruhig sagen, was passiert ist.«
    Der nächste Patient kam wenige Minuten später herein. Seine Jeansjacke war schmutzig und kaputt, der eine Ärmel durchgeblutet. Er hatte ein Geschirrhandtuch auf die Wunde gedrückt und mit Klebeband festgeklebt und schrie, »diesen Arschlöchern werde ich es heimzahlen!«. Es war ein ziemlicher Zirkus, aber bald kamen ein paar Polizistinnen, und da beruhigte er sich.
    »Erzähl, dann können wir dir helfen.«
    Ein kurzsichtiger Arzt kam herein, fast verneigte Mama sich vor ihm. Er leuchtete mir mit einer Lampe in die Augen, betastete die Beule und bat mich, den Pullover hochzuziehen, damit er Herz und Lunge abhören konnte. Mama und er holten gleichzeitig Luft. Die Hose musste ich auch runterziehen. Insgesamt zählten sie achtzehn Kontusionen. Also blaue Flecken. Plus Beule und Gehirnerschütterung.
    »Willst du eine Anzeige erstatten?«
    Der Arzt ging ein Körperteil nach dem anderen durch, aber keines war gebrochen. Ich musste in einem anderen Teil des Krankenhauses lange warten, bis sie mich mit dem Kopf voran in eine hohle Maschine schoben. Der Kopf war festgeschnallt, so dass ich ihn nicht bewegen konnte. Auf dem Schirm erschienen Bilder meines Gehirns. Sie gingen jede Ecke des Hirns durch, manchmal zeigten sie auf etwas Interessantes. Wonach suchten sie? Nach Gedanken?
    »Jetzt sag uns, wer dich geschlagen hat. Warum willst du nicht reden, hast du Angst vor jemandem? Warte bitte, du sollst noch mit Lisbeth sprechen, sie wird gleich kommen.«
    Eine ältere Dame mit kurzgeschnittenem Haar in ziegelrotem Polohemd. Schmale Brille, die sie wie eine Katze aussehen ließ. Lange Spinnenfinger, die ab und zu etwas auf einem Block notierten.
    »Was wollen Sie?«, fragte ich.
    »Hallo, ich bin Lisbeth von den Sozialen Diensten, wir werden in solchen Fällen immer dazu geholt. Ich bin hier, um dir zu helfen.«
    »Ich brauche keine Hilfe.«
    »Wir müssen herausbekommen, was passiert ist. Wir können ja sehen, dass dir jemand übel mitgespielt hat.«
    »Das habe ich selbst gemacht.«
    »Deine Mutter hat erzählt, dass du in eine Prügelei verwickelt warst.«
    »Sie hat keine Ahnung.«
    Die Frau hörte auf, sich Notizen zu machen, und beugte sich zu mir vor. Ihr Blick war freundlich und gleichzeitig hohl, der Mund lächelte, ohne fröhlich zu sein. Eine Miene, die sie auf der Hochschule für Sozialpädagogik einstudiert hatte.
    »Sie hat uns erzählt, dass du auch zurückgeschlagen hast. Stimmt das?«
    »Sie hat keine Ahnung, habe ich doch schon gesagt.«
    »Wenn du jemanden geschlagen hast, dann hast du dich eines Vergehens schuldig gemacht. Dieser andere Junge, der so übel zugerichtet worden ist …«
    »Wie geht es Pålle?«
    »Ja, genau auf den wollte ich kommen. Weißt du, wer ihn misshandelt hat?«
    »Na, jedenfalls nicht ich. Schließlich haben wir den Unfallwagen gerufen.«
    »Ja. Deine Mutter.«
    »Wie geht es ihm?«
    »Es müssen Ermittlungen aufgenommen werden. Und da ihr beide noch minderjährig seid, wird das Jugendamt eingeschaltet werden.«
    »Dann glauben Sie etwa, ich hätte Pålle misshandelt? Glauben Sie das?«
    Die Frau saß eine Weile schweigend da. Sie betrachtete mich geduldig. Oder traurig. Oder wütend. Das war schwer zu sagen, vielleicht war das genau ihre Absicht.
    »Warum wolltest du zuerst nicht ins Krankenhaus? Deine Mutter hat gesagt, du hättest dich geweigert. Hattest du Angst?«
    »Angst?«
    »Vielleicht seid ihr beide, Pålle und du, ja von derselben Bande misshandelt worden. Und dann haben sie euch gedroht?«
    »Ja, stimmt«, sagte ich.
    »Was?«
    »So war es. Genau so.«
    »Hast du die, die euch geschlagen haben, wiedererkannt? Weißt du, wie sie heißen?«
    »Gunnar war der eine. Und dann Knut.«
    »Kennst du auch ihre Nachnamen?«
    »Gunnar Ekelöf und Knut Hamsun. Die alte

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