Ersehnt
gehen und die ganze Nacht dort bleiben. Vielleicht sollte ich -
Klopf klopf. Es war Brynne - ich fühlte ihre Energie. »Ja?«, rief ich.
Die Tür wurde geöffnet. Brynne sah in ihrer scharlachroten Robe einfach fantastisch aus. Sie war die einzige Schwarze in unserer ansonsten nicht gerade bunt durchgemischten Runde. (Generell sind Unsterbliche natürlich nicht auf eine ethnische Zugehörigkeit beschränkt, denn es gibt sie in allen Kulturen.) Sie sah, wie ich fand, von uns allen am meisten wie ein Teenager aus. Ihre feinen Gesichtszüge waren wunderschön und sie war groß und schlank wie eine Skulptur von Brancusi. Nur glatter. Neben ihr kam ich mir klein, blass und nichtssagend vor.
Als sie mich auf dem Bett sitzen sah, lachte sie. »Ich wusste, dass du ein feiges Huhn bist!«
»Was trägt man unter dieser Klamotte?«, fragte ich und hielt die Robe hoch. »Ich dachte an lange Unterwäsche.« Brynne grinste. »Wieso willst du überhaupt etwas unterziehen?« Meine Augen weiteten sich vor Schreck. »Oh, nein. Ich werde auf jeden Fall etwas drunter anhaben.«
Brynne klemmte die Hände unter die Achseln und gackerte wie ein Huhn.
»Es wird eiskalt sein«, wandte ich ein.
»Das wirst du nicht spüren«, versprach sie.
»Du meinst doch nicht wirklich, dass ich darunter nackt sein soll?«
Brynne machte täuschend echt das Glucksen eines Huhns nach und ließ mich allein. Auf dem Flur konnte sie sich ein letztes Hühnergackern nicht verkneifen.
***
Beim Abendessen kam ich mir tatsächlich blöd vor in meiner Robe und fand es total peinlich, obwohl alle anderen auch eine trugen. Sie hatten alle verschiedene Farben: Die von River war sibergrau wie ihr Haar, Annes war tiefblau und die von Daisuke dunkelgrau. Charles trug Smaragdgrün. Brynnes Robe war natürlich rot, und als sie mich ansah, hob sie bedeutungsvoll die Brauen und nahm einen großen Schluck von ihrem Champagner. Ich funkelte sie finster an.
Ich musste feststellen, dass ich die Einzige war, die Weiß trug. Und die Einzige, die sich einen dünnen Wollschal um den Hals gewickelt hatte. Ich sah, wie River einen Blick auf meinen Schal warf, sie sagte aber nichts dazu. Ihr war klar, dass ich ohne ihn nirgendwo hingehen würde.
»Gibst du mir bitte die Erbsen?«, sagte Jess auf meiner rechten Seite. Sein ausschweifendes Leben hatte seine Stimme rau werden lassen und ich bezweifelte ehrlich gesagt, dass sie sich jemals erholen würde. Er trug eine schwarze Robe. Ich fragte mich, ob die Farben vielleicht symbolisch waren. »All diese Gerichte sind traditionelle Silvesterspeisen, die Glück bringen«, sagte Solis. »Wenn ihr also von jedem etwas esst, wird das nächste Jahr euch Glück, Wohlstand, Gesundheit, Segen und von allem das Beste bescheren!«
Ich kam mir zu sehr vor wie ein Halloweengeist in einem Bettlaken, um mich auf das zu konzentrieren, was er sagte, aber die anderen lachten und stießen mit ihren Gläsern an. Ich entdeckte meinen Champagner und griff gierig danach.
Eigentlich nippt man Champagner, aber ich hatte seit fast zwei Monaten keinen Alkohol mehr getrunken und so kippte Ich das Glas auf ex.
Asher grinste und schenkte mein Glas wieder voll. »Und jetzt nimm kleine Schlucke«, sagte er. »Damit es länger reicht. «
Ich nippte damenhaft und stellte das Glas wieder ab. Ich hätte wetten können, dass es mundgeblasenes venezianisches Kristall aus dem 18. Jahrhundert war, denn es war fantastisch, nicht ganz perfekt und so zart wie der Flügel eines Schmetterlings.
Jemand streifte mich beim Übersteigen der Bank.
Ich wusste, ohne hinzusehen, dass es Reyn war. Mein Gesicht erstarrte, als ich einen Blick auf seine Robe in einer tiefen Bernsteinfarbe erhaschte. Hastig nahm ich einen Löffel voll Grünzeug aus der Schüssel und klatschte es mir auf den Teller.
»Du kommst spät«, sagte River, lächelte ihn dabei aber an.
»Sorry«, sagte er knapp. Ich schwöre, dieser Kerl könnte mit seinem Charme einer Schlange die Haut abschwatzen. »Jetzt, wo wir alle da sind, lasst uns über unsere guten Vorsätze reden!« Asher rieb sich die Hände. »Ich habe natürlich denselben wie jedes Jahr.«
Ich wollte schon fragen, was sein guter Vorsatz war, aber Anne sagte: »Den perfekten Chévre zu rnachen?«
»Genau! Das wäre das Jahr!« Asher strahlte und alle anderen lachten. Ich war schon an den Käserädern aus Ziegenmilch vorbeigegangen, die im Keller lagerten, aber ich hatte kaum einen
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