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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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man es so betrachtete, sollte ich mich vielleicht in einer Schneewehe zusammenrollen und blöderweise nicht erfrieren. Sie grinste verächtlich, als sie mein Gesicht sah. »Die Wahrheit tut weh, häh?«
    »Das ist so ein Klischee«, murmelte ich.
    »Du bist ein Klischee«, sagte sie kalt. »Du bildest dir ein, du könntest anderen Leuten helfen, dabei bist du selbst total daneben! Und du merkst es nicht mal!«
    »Ich merke sehr wohl, dass ich daneben bin! « Das kam nicht so heraus, wie ich es geplant hatte.
    Ich kannte ihre zickige, defensive Miene nur zu gut. »Darauf möchte ich wetten. Und jetzt verzieh dich und kümmere dich um deine eigenen Probleme. Lass mich in Ruhe.« Sie drehte sich um und wollte in die Nacht verschwinden.
    »Dray!« rief ich ihr nach, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich noch sagen sollte.
    Ohne sich umzudrehen, zeigte sie mir den Stinkefinger. Das war doch wieder mal super gelaufen.

10
    Da dieser Tag der Hügel war, von dem alles Miese herun— terrollte, musste ich jetzt zu allem Überfluss noch gestehen, dass ich gefeuert worden war. Ich hastete am erleuchteten Schaufenster von MacIntyre's Drugs vorbei und warf nur einen flüchtigen Blick hinein. Zu meiner Erleichterung war der Laden leer und ich sprang in mein Auto.
    In River's Edge brannte hinter fast jedem Fenster Licht, was anheimelnde Wärme versprach. Auf dem Hof bedeckte der Schnee alles wie eine Schicht Puderzucker. Ich kletterte aus dem Auto und trottete aufs Haus zu. Ob ich es schaffen konnte, nach oben zu verschwinden und ein heißes Bad zu nehmen, bevor mich jemand erwischte? Ich stieg die Stufen hoch und öffnete die dunkelgrüne Haustür ganz leise ... »Hey! Nastasja! Heute Abend gibt es chinesisches Essen!« In der Diele wippte Amy vor Aufregung tatsächlich auf ihren Fußballen. »Charles hat in China gelebt, deshalb weiß er, wie es gemacht wird!«
    Woher wusste sie, dass Charles in China gelebt hatte? Ich hatte das nicht gewusst.
    Anne kam lächelnd herbei. »Hi, wie war dein Tag? Ist es nicht lausig kalt geworden?«
    Mein Plan, mich nach oben zu schleichen und die Kranke zu mimen, löste sich in Luft auf.
    »Ich bin gefeuert worden!«, stieß ich hervor und spürte, wie mein Kinn bebte und mein Gesicht sich verzerrte. Da ich ja heute noch nicht genug gedemütigt worden war, würde ich jetzt also dem Ganzen die Krone aufsetzen, indem ich vor allen anderen losheulte, vor allem natürlich vor Annes bildhübscher Schwester, für die Reyn extra ein Schokodes— sert gemacht hatte.
    »Oh, Liebes«, sagte Anne. Sie nahm mich sofort in den Arm und tätschelte mir den Rücken, als wäre ich ein Kind mit einem aufgeschürften Knie. »Das tut mir so leid. Ich kann mir vorstellen, wie schwer es sein muss, für Mr MacIntyre zu arbeiten.«
    »Was ist passiert?« Rivers Stimme.
    »James MacIntyre hat sie gefeuert«, sagte Anne über meine Schulter hinweg. Ich hielt die Augen geschlossen, weil ich River nicht ansehen konnte.
    »Ach herrje«, sagte River. »Nun, du hast es erstaunlich lange dort ausgehalten. Es war nur eine Frage der Zeit, wann du falsch niest und er dich deswegen feuert.«

    Sie waren auf meiner Seite. Ohne die Fakten zu kennen. Sie kannten mich und trotzdem hielten sie zu mir. Ich richtete mich auf, öffnete die Augen und fuhr mir mit dem Handrücken unter der Nase entlang. »Ich habe nicht falsch geniest.« »Was ist passiert?«, fragte River wieder.
    »Er hat Meriwether angeschrien, seine Tochter, die bei ihm arbeitet, und sie hat geweint. Ich dachte wirklich, er würde sie schlagen, und wollte nicht meine Magie benutzen, um ihn aufzuhalten - das wäre falsch gewesen«, gab ich tugendhaft zum Besten, »aber dann ist mir die Sicherung durchgebrannt und ich habe ihn angeschrien, dass er sein Leben ruiniert und dass seine eigene Tochter Angst vor ihm hat.« Ich holte kurz Luft. »Dann hat er zurückgeschrien, dass ich gefeuert bin und verschwinden soll und dass er mich nie wieder sehen will.«
    Eigentlich kam ich gar nicht so schlecht weg dabei – immerhin hatte ich eine Unschuldige verteidigt. Und es stimmte sogar alles. Natürlich erwähnte ich nicht, wie schlimm es gewesen war, wie blass und geschockt Meriwether dagestanden hatte und dass ich sie bei dem Versuch, ihren Vater zu verletzen, vermutlich auch tief getroffen hatte. Aber die Kurzfassung entsprach durchaus der Wahrheit.
    »Hm«, machte River. Ich konnte den Ausdruck ihrer Augen nicht deuten. Ärger war es nicht,

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