Ersehnt
»Bieg-es-wieder-gerade— Plan« nicht durchziehen würde.
An diesem Morgen war ich mit dem Einsammeln der Eier an der Reihe, was angesichts des »feigen Huhns« ganz passend war. Das Teufelshuhn starrte mich bösartig an und ich versuchte nicht einmal, ihm seine Eier wegzunehmen. Irgendwann würde ich mit ellbogenlangen Kaminhandschuhen aus Asbest wiederkommen und wir würden es ein für allemal austragen. Aber nicht heute.
Ich legte das letzte warme Ei in den Korb und stellte mir vor, wie mein Gehirn vom vielen Nachdenken überhitzte, bis mir Rauch aus den Ohren quoll. Bieg es wieder gerade. Ein Schritt nach dem anderen. Vielleicht ... Okay, wie wäre es damit ... ich konnte versuchen ... die Leute nicht mehr so streng zu beurteilen. Wenigstens nicht sofort. Mit einem Nicken akzeptierte ich diesen guten Vorsatz. Doch dann stöhnte ich über meinen lahmsten Gedanken aller Zeiten und verließ den warmen Hühnerstall, um ins Haus zurückzukehren. Etwa zwanzig Meter vor mir schlenderte Reyn, der zwei Kannen Milch von unseren beiden Kühen Beulah und Petunia trug. Er sah groß und stark aus und hielt die Metallkannen, als wären sie leer. Ich zwang mich, ihn als das zu betrachten, was er war: ein Mann, der Milchkannen trug. Er war nicht nur der Mensch, den ich vor langer Zeit gefürchtet hatte, und er war nicht nur das begehrenswerte Objekt meiner fiebrigen Fantasien. Er war ein richtiger Mensch und wenn ich ehrlich war, kannte ich ihn kaum.
Wir erreichten die Stufen zur Küchentür gleichzeitig und er sah zu mir herüber.
»Guten Morgen«, sagte ich. Großes Mädchen, Nastasja. »Morgen.« Ich spürte seine Verblüffung. Dann gingen wir in die Küche.
***
Wenn man versucht, sich mit jemandem zu versöhnen, und eine Abfuhr kassiert, dann ist das beschämend. Aus diesem Grund hatte ich es noch nie in meinem Leben versucht. Ich hatte Unmengen Freunde abgeschrieben und Unmengen Orte verlassen, statt zu versuchen, eine Verletzung zu heilen oder ein Missverständnis oder einen Irrtum aufzuklären. Ich hatte keine Ahnung, wie man sich versöhnte, vor allem mit jemandem wie ... Old Mac zum Beispiel.
Ich wusste nicht, wie ich vorgehen sollte, aber mein Anfängerinstinkt sagte mir, dass ich vermutlich in Old Macsunmittelbarer Nähe sein sollte, wenn ich den Versuch wagen wollte.
Also fuhr ich zur Arbeit. Der Drugstore war nicht verschlossen und meine Stempelkarte lag noch auf dem Kassentresen, wo ich sie am Vortag hingeworfen hatte. Eine Sekunde lang überlegte ich, ob Mr MacIntyre den Laden am vergangenen Abend vielleicht gar nicht geschlossen hatte, aber dann sah ich ihn hinter dem Apothekentresen und er trug andere Sachen. Er schaute auf, als die Türglocke klingelte, und wirkte überrascht und verärgert, als er erkannte, dass ich es war. Ich ging wortlos nach hinten, stempelte meine Karte und fing an zu fegen.
Er kam heran, die Hände auf den Hüften, aber ich fegte einfach weiter. Fegen war schließlich eine sehr aktiveSache. Ich fegte mein Häufchen bis zur Ladentür und hinaus auf den Bürgersteig. Dann drehte ich das >Geschlossen<-Schild auf >Offen< und holte den Staubwedel hervor. Nach einer Weile verzog er sich wieder hinter den Tresen, aber ich spürte, dass er mich den ganzen Vormittag immer wieder beobachtete. Meriwether war in der Schule und er hatte sonst niemanden. Ich erledigte meine üblichen Aufgaben, räumte die Regale auf und kreuzte auf den Formularen der verschiedenen Lieferanten an, was nachbestellt werden musste.
Gegen Mittag läutete die Türglocke und ich schaute auf.
Es war ein Paar, das ich nicht kannte, ein Mann und eine Frau, die nicht aussahen, als würden sie in West Lowing leben. Vielleicht in Boston. New York. Oder Paris. Die meisten unserer Kunden waren Einheimische und ich erkannte schät;zungsweise 98 Prozent von ihnen. Aber dies waren Fremde. »Hey«, sagte ich von meiner Position am Boden aus. »Kann ich Ihnen helfen?«
Die Frau sah mich an und aus irgendeinem Grund jagte mir ein Schauder über den Rücken. Ihre strohblonden Haare umgaben ihren Kopf in einem aufgeplusterten Kurzhaar;schnitt. Ihre Augen waren von einem sehr hellen Blau. Der Mann sah aus wie ein Inder, mit glatter Haut, sehr gepflegt, gut angezogen, mit angenehmen Gesichtszügen und einem Mund, der ... grausam aussah.
Ich stand auf. Bestimmt waren die beiden Touristen, die sich verfahren hatten, wie es mir anfangs auch passiert war. Aber etwas an ihnen fühlte
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