Ersehnt
des Hauses von Ülfur zu sein.
Ich zitterte am ganzen Körper und befreite mich von der Decke, um die Heizung aufzudrehen. Dabei erhaschte ich im Spiegel einen Blick auf mein demoliertes Gesicht. Ich zog ein sauberes Flanellhemd an, weil es Knöpfe hatte und ich es nicht über den Kopf ziehen musste. Wie bei Unsterblichen üblich, würde ich in ein oder zwei Tagen wieder fit und alle Verletzungen würden verschwunden sein. Aber gerade jetzt fühlte ich mich ... als hätte ich einen Autounfall gehabt. Ich schlang mir einen Schal um den Hals und versuchte, mich an den modischen Knoten zu erinnern, den Lorenz mir gezeigt hatte, als ein leises Klopfen an der Tür mir sagte, dass River gekommen war.
»Komm rein«, rief ich.
»Hi«, sagte sie. »Fühlst du dich besser?«
»Nicht wirklich.«
»Möchtest du etwas essen? Wie wär's mit Hühnersuppe?« Ich nickte. »Hört sich gut an.« Aber dann prallte diese Unterhaltung in meinem Kopf gewissermaßen mit meinen düsteren Gedanken zusammen und ich brach in Tränen aus.
Hier ein Tipp: Mit einer gebrochenen Nase sollte man nicht weinen. Das tut gemein weh.
Ich hatte die Heulerei so satt. Hatte es satt, ständig diese grauenvollen, niederschmetternden Erkenntnisse über mein Leben zu haben, das zuvor zwar vergeudet und unnütz gewesen war, mich aber wenigstens nie mit irgendwelchen Wahrheiten über mich selbst konfrontiert hatte.
»Nastasja«, sagte River schließlich. »Was ist los?«
»Ich weiß es nicht.« Ich setzte mich auf und holte die Schachtel mit den Taschentüchern zu mir ins Bett. Die anderen bestanden darauf, Taschentücher aus Stoff zu verwenden, aber ich finde, man kann diese Öko-Nummer auch übertreiben. Es sind schließlich nur Taschentücher. Also bitte.
Ich fing an, benutzte Taschentücher in den Papierkorb zu werfen.
»Was glaubst du, was passiert ist?«
Ich konnte sie nicht ansehen, als ich die Worte laut aussprach, die nun schon seit Tagen an mir nagten. »Vielleicht ist es ... meine Dunkelheit? Es fühlt sich an, als käme sie aus mir heraus und verdirbt alles um mich herum. Meinen Job. Meine Magie. Einfach alles.«
River schwieg mehrere Minuten. Ich spielte an den Fransen meines Schals herum.
»Hm«, sagte sie schließlich. »Und unsere andere Option ist zu überlegen, wer es auf dich abgesehen hat.«
Ich schaute auf und wünschte mir nichts sehnlicher, als diese ganze Sache auf jemand anderen abwälzen zu können. »Incy, schätze ich. Jedenfalls ist er der Einzige, der mir einfällt.«
Würde ich ihn spüren, wenn er in der Nähe wäre?
Würde River seine dunkle Magie spüren? Meine spürte sie jedenfalls.
»Okay. Und wieso glaubst du, dass du das alles verursacht hast?«
»Ich, weiß nicht«, sagte ich, aber dann brach es aus mir heraus. »Ich bin dunkel! Ich bin das dunkle Kind dunkler Eltern aus einer langen Reihe dunkler Vorfahren. Ich kann dem nicht entkommen! Es ist sinnlos, es zu versuchen.« Ich fing wieder an zu weinen.
River legte mir die Hand auf die Schulter. »Das glaubst du?«
»Es geht nicht um glauben oder nicht glauben«, schluchzte ich. »Es ist einfach so. Es ist die Realität.« Oh, mein Gott, wie ich die Realität hasste. Da ziehe ich jede Ausgeburt meiner Fantasie vor. Als River nichts sagte, fuhr ich fort und erzählte ihr, was mir über meinen Vater, meinen Onkel, meine Eltern klar geworden war.
»Und von ihnen stamme ich ab«, sagte ich. »Ihr Blut fließt in meinen Adern.« Ich sah River ins Gesicht und erkannte dort Mitgefühl, aber auch eine nachdenkliche Stille, als wäre ich ein Rätsel, das sie zu lösen versuchte.
»Und ich wollte seine Erbin sein «, fuhr ich fort. »Ich wollte eine würdige Tochter von Ülfur, dem Wolf, sein. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich muss verrückt gewesen sein! Und Reyn!« Ich steigerte mich immer mehr hinein und meine Gedanken und mein Schmerz sprudelten aus mir heraus wie Blut aus einer Wunde.
»Was ist mit Reyn?«, fragte River.
Ich holte zittrig Luft. »Diese ... diese Sache, die zwischen uns steht. Ich weiß nicht, was es ist. Aber es ist ... diese Sache. Er ist der Winterkrieger, der Winterschlächter, verantwortlich für den Tod von wer weiß wie vielen Menschen! Ich bin die einzige Erbin des Hauses von Ülfur, dem Mörder. Das sind wir. Wenn wir wirklich zusammenkämen, würde die Welt explodieren! Ich weiß, dass es in einer Katastrophe enden würde!
»Du denkst also, dass du so
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