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Ersehnt

Ersehnt

Titel: Ersehnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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nahe genug waren. Ganz, ganz langsam waren auch Einzelheiten auszu;machen: Einer von ihnen trug eine Standarte, die anzeigte, zu welchem Clan er gehörte.
    Als sie die Dorfmauer erreichten, waren wir bereits von einem Läufer informiert worden: Die Reiter trugen die Standarte von Ulfur Haraldson, meinem Vater. Es war eindeutig, berichtete der Läufer keuchend - fünf schwarze Bären auf rotem Hintergrund, gekrönt von einem Eichenkranz.
    Sofort herrschte eine unglaubliche Aufregung: Die Reiter waren mein Onkel und seine Männer! Ich hatte bisher nicht einmal gewusst, dass ich einen Onkel hatte!
    Wir rasten nach unten und warteten mit Vater vor seinem Hrókur - denn Burg konnte man es nicht nennen. Es war eher so etwas wie ein Steinhaus, das aussah wie eine kleine Burg. Ich stellte verblüfft fest, dass mein Vater seine Krone trug - einen schmalen Goldreif mit Perlen und Rubinen und einem braunen Diamanten in der Mitte. Sonst trug er sie fast nie, aber wahrscheinlich wollte er vor seinem Bruder Eindruck schinden. Meine Mutter trug ihr zweitbestes Kleid aus tiefblauem Leinen mit eingeschlitzten Ärmeln, die mit Goldfädendurchwirkt waren. Unter der Leinenkappe war ihr Haar zu zwei Zöpfen geflochten, die lang genug waren, dasssie darauf sitzen konnte. Sie hatte wie immer ihr Amulett um den Hals und sah wunderschön und festlich aus.
    Ächzend und stöhnend öffnete sich das Tor wieder und mein Onkel und seine Männer ritten hindurch. Sie hatten große schwarze Pferde und einer der Männer trug tatsächlich dieselbe Standarte, die Faöirs Männer auch immer mitführten, wenn Vater ein anderes Dorf besuchte oder wenn es Ärger gab und er seine Truppen irgendwo hinbringen musste.
    Ich wollte den Reitern entgegenlaufen, aber mein Vater legte mir mit eisernem Griff die Hand auf die Schulter. Ich sah zu ihm auf, doch da zog mich meine Mutter schon hinter sich. »Warte, Lilja«, murmelte sie. »Lass deinem Vater den Vortritt.«
    Der erste Reiter schwang sich vom Pferd. Er sah aus wie mein Vater, groß und blond, aber jünger und nicht so kampferprobt. Er kam auf meinen Vater zu und verbeugte sich tief vor ihm, so wie es alle Leute machten.
    Mein Vater trat einen Schritt nach vorn und breitete die Arme aus. »Geir! Sei willkommen! Es ist schon viel zu lange her!« Sie umarmten sich und schlugen einander kräftig auf den Rücken. Ich war so aufgeregt, dass ich kaum noch stillstehen konnte.
    Als meine Mutter uns vorstellte, meine beiden Schwestern, meine beiden Brüder und mich, platzte ich heraus: »Ich wusste gar nicht, dass ich einen Onkel habe!«
    Onkel Geir machte ein komisches Gesicht und warf meinem Vater einen Blick zu. »Du hattest sogar mehrere«, sagte er. »Aber jetzt gibt es nur noch mich.«
    »Komm herein, Geir«, forderte mein Vater ihn auf. »Du musst erschöpft von der Reise sein.«
    An diesem Abend gab es ein Festessen. Ich schlief ein, während mein Vater und Onkel Geir noch redeten. In der Morgendämmerung wachte ich in meinem Bett wieder auf, sprang in meine Sachen und raste nach unten. Onkel Geir hatte so spannende Geschichten erzählt, dass ich nicht dazu gekommen war, ihn zu fragen, ob er Kinder hatte. Vielleicht konnten sie uns besuchen.
    Ich wollte gerade an die Tür von Vaters Zimmer klopfen, als ich von drinnen laute Stimmen hörte. Ich wusste sofort, dass sie sich anbrüllten, denn die Tür war acht Zentimeter dick - man musste schreien, um auf dem Flur vor Faöirs Studier;zimmer gehört zu werden.
    »Lilja, was machst du da?« Meine Mutter stand plötzlich mit der Haushälterin da, die Arme voll Leinen.
    »Ich wollte zu Faöir «, sagte ich. »Aber hör doch: Wieso streitet er mit Onkel Geir?«
    In unserer Sprache gab es verschiedene Worte für einen Onkel väterlicher-und einen Onkel mütterlicherseits. Die wörtliche Übersetzung war entweder »Vater-Bruder « oder »Mutter-Bruder«.
    »Ach was«, erwiderte meine Mutter. Sie nahm meine Hand und zog mich von der Tür weg. »Die streiten nicht. Sie sind beide so groß wie Bären und solche Männer reden nun mal laut. Und jetzt geh frühstücken. Es ist noch kaltes Kaninchen;fleisch von gestern Abend da.«
    Also rannte ich los. Am nächsten Morgen machten sich mein Vater und mein Onkel und seine Männer sowie ein paar Männer meines Vaters auf die Jagd nach Wildschweinen, die es in unseren Wäldern gab.
    Die Sonne ging schon unter, als Vater und seine Männer zurückkehrten. Mein Vater sah

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