Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
dunkelhaarige Mann, der Dichter, der ihm die Energie gegeben hatte. Leise, heimlich hatte er sie ihm entzogen, als er sich über das Mädchen bückte, und der Mann hatte es nicht einmal bemerkt, da er in Gedanken ganz mit seinen eigenen Problemen beschäftigt war. Seine schöne Claudia war auch hier. Ganz in der Nähe. Immer bei ihm. Ihr Haß und ihr Fluch hatten ihr Kraft gegeben, und gemeinsam würden sie endlich Gerechtigkeit finden.
Kate klammerte sich an Jons Arm. Die starke, unabhängige, kluge Kate klammerte sich an den saft- und kraftlosen Dichter wie ein blödes Flittchen. Greg, der neben Konstabler Garth voraushinkte, warf wieder einen Blick über die Schulter, überrascht, wie aufgewühlt er war. Warum hatte sie gesagt, daß alles aus sei zwischen ihr und diesem Mann, wenn sie es nicht ernst gemeint hatte? Er spürte, wie plötzlich ein Schwall glühender Wut in ihm aufbrandete. Sie war schön. Schön wie Claudia, die er, ohne es zu merken, immer und immer wieder gemalt hatte, als er noch im Cottage allein gewesen war.
Er krümmte sich wieder über den Spazierstock nach vorn und versuchte, sich und seine Wut zu beherrschen. Es war jetzt völlig windstill. Der Sturm war verschwunden, so schnell, wie er gekommen war. Er spürte eine neue Milde in der Luft. Sie besänftigte ihn ein wenig.
Auf den Anblick, der sie beim Cottage erwartete, waren sie nicht vorbereitet. Sie blieben am Waldrand stehen und starrten auf das, was einmal ein hübscher, wenn auch verwilderter Garten und ein idyllisches Haus gewesen war. Das Gebäude stand in einem See aus schwarzem Wasser, der fast bis zur Haustür hinauf reichte. Es sah beinahe so aus wie auf dem Bild, das Kate so erschüttert hatte. Dahinter, auf das Watt zu, war das Meer auf jeder Seite vorgedrungen, hatte neue Kanäle in den Sand gekerbt und sein Reich ausgedehnt. Schon paddelte eine Schar Enten geschäftig durch das schmutzige Wasser und fraß gierig von den Überresten, die in sich langsam drehenden Pflanzenmatten umherschwammen.
»Unter all dem muß das Grab sein«, sagte Greg nüchtern.
Keiner von ihnen hatte sich bewegt.
»Also hat Marcus gewonnen.« Kate stand jetzt neben ihm.
»Wir werden nie erfahren, was damals geschehen ist.« Bob Garth rieb besorgt mit den Handflächen über die Vorderseite seiner Jacke. »Wo war der Verstorbene, als Sie hier weggegangen sind?« fragte er behutsam. »War er im Erdgeschoß?«
»O nein!« Kate vergrub das Gesicht in ihren Händen. »Ich komme mit.« Greg trat vor. »Kate, du bleibst hier. Es ist nicht nötig, daß du mit reinkommst.«
Das Wasser wirbelte um das obere Ende ihrer Stiefel, als die beiden Männer, gefolgt von dem ein wenig zögernden Jon, zur Haustür wateten. Es dauerte mehrere Minuten, bis sie wieder auftauchten. Alle drei sahen grimmig aus.
»Ich fürchte, das Wasser ist bis ins Haus vorgedrungen, Miss Kennedy.« Garth hatte sich ausreichend erholt, als er sie erreichte. »Es hat da drin eine ziemliche Bescherung angerichtet. Ich glaube, Sie sollten es vorerst dabei bewenden lassen. Wir warten, bis sich die Spurensicherung und der Gerichtsmediziner umgesehen haben, und dann werden wir Mr. Norcross‘ Leiche abholen lassen.«
Sie nickte. Sie hatte nicht die Absicht hineinzugehen. »Sollen wir raus zum Grab? Das Wasser ist nicht sehr tief da draußen, und es weicht noch zurück.« Greg war Garth gefolgt. In seinem Fuß, den die Kälte betäubt hatte, spürte er einen dumpfen Schmerz.
Sie nickte zögernd. Ihre Erschöpfung war so groß, daß sie sich fragte, ob sie überhaupt noch einen Schritt würde gehen können. Vorsichtig setzte sie einen Fuß nach dem anderen in das schlammigtrübe Wasser und spürte, wie die Sohlen ihrer Stiefel auf dem ausrutschten, was einmal ein Rasen gewesen war. Ihr Blick fiel auf den Seidelbastbusch in der Ecke. Die kleinen rosa Blätter waren noch da, jetzt von Eis und Schnee befreit. Auf dem obersten Zweig saß ein Rotkehlchen.
Es herrschte immer noch Flut. Es gab keine Möglichkeit festzustellen, wo unter den böigen, wütenden Wellen sich das Grab befand. Kate stand wadentief im Wasser und drehte sich langsam hierhin und dorthin. Die Dünen waren gewandert. Es gab nichts mehr, woran sie sich orientieren konnte, nur die fast grenzenlose Weite des triumphierenden Wassers.
Bob Garth schüttelte den Kopf. »Wenn Leichen in dem Grab waren, wird es eine offizielle Untersuchung geben müssen«, sagte er zweifelnd.
»Genau das, was Marcus nicht wollte.« Greg starrte
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