Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde
zog sich eine Spur schwarzer Torferde.
»Mein Gott.« Sie hatte nicht bemerkt, daß sie laut gesprochen hatte.
»Was ist los?« Alison erschien hinter ihr in der Tür.
Kate atmete tief durch. »Nichts. Ich habe was verschüttet, nichts weiter.«
»Wo sind die Streichhölzer?« Alison bückte sich und kramte in dem Kästchen unter der Spüle herum. Sie hatte ihre Jacke ausgezogen und kämmte ihre Haare mit den Fingern nach hinten.
»Da, auf der Platte.« Kate starrte immer noch auf die Spur aus Erde, die zwischen den Bechern durchlief. »Allie, mach dir nicht die Mühe, ihn jetzt anzuzünden, okay? Wenn wir unseren Kaffee getrunken haben, gehe ich mit dir zurück. Ich muß heute morgen noch nach Colchester fahren.« Wieder war ihr dieser Gedanke ganz spontan gekommen. Vielleicht war er diesmal entstanden, weil sie nicht allein im Haus sein wollte.
»Was ist mit den Photos? Sie haben es versprochen.«
Zum Teufel mit den Photos!
»Das geht schon klar, ich mache sie heute noch, keine Sorge. Das Licht wird sowieso besser, je später ich sie mache. Die Bilder werden dann schärfer. Den Film habe ich fertig bis heute abend.«
Sie hob zwei Becher aus der Erde und wusch sie ab, bevor sie die Kaffeedose nahm.
»Woher kommt dieser ganze Dreck?« Alison hatte die Erde gesehen. Sie fuhr mit dem Finger hindurch, so daß sie eine saubere Spur auf dem lackierten Holz der Arbeitsplatte hinterließ.
Kate schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher. Er muß reingekommen sein, als ich vorhin die Scheite reingebracht habe.«
Alison gab sich mit der Antwort zufrieden. Sie drehte sich um und ging wieder ins Wohnzimmer.
»Arbeiten Sie gern mit dem Computer?« Ihre Stimme kam durch die Tür, während Kate wartete, bis das Wasser kochte.
»Ja, schon. Es macht das Setzen von Fußnoten und überhaupt alles viel einfacher.« Kate trug die Kaffeebecher hinaus. Alison stand an ihrem Tisch und sah hinunter auf ihre Bücher und Notizen.
»Mein Bruder Patrick ist ein Computerfreak«, sagte das Mädchen. »Die meiste Zeit ist er ein Trottel, aber mit Computern ist er echt Spitze.«
»Ist er heute abend auch da?«
»Klar.«
»Und Greg auch?«
Alison zuckte mit den Schultern. »Keiner weiß, was Greg als nächstes macht.«
»Verstehe«, sagte Kate trocken. »Na, jedenfalls freue ich mich, zu deinen Eltern zum Abendessen zu kommen. Sie machen so einen netten Eindruck.«
»Sind sie wohl auch.« Alison trank ihren Kaffee aus und stellte den Becher ab. »Ich gehe jetzt. Wollen Sie mitkommen?«
Ihren Augen leuchteten wieder feindselig, und Kate hatte plötzlich genug von dem Kind. »Ich brauche noch ungefähr eine halbe Stunde«, sagte sie. »Wenn du auf mich warten willst, wäre das nett, sonst komme ich später nach.«
Alison zögerte einen Moment lang, offenbar wollte sie nur ungern allein zurückgehen. Dann ließ sie sich mit einem übertriebenen Seufzer in einen der Sessel fallen. »Okay, ich warte.«
»Danke.« Kate lächelte. Sie sammelte die Becher ein und ließ das Mädchen dort sitzen.
Die Tür zum Abstellzimmer war offen, die Kartons und Koffer waren über den ganzen Boden verstreut. Kate starrte bestürzt auf das Chaos, dann drehte sie sich um und rief die Treppe hinunter. »Alison, warst du das?«
»Was?« Die Stimme des Mädchens klang verdutzt.
»Na, das hier? Verdammt nochmal!« Ihr Koffer, der Koffer mit dem Halsreif, war noch verschlossen. Das konnte sie von der Tür aus sehen.
Alison rannte hinter ihr hoch und sah sich um. »Schöne Bescherung.«
»Diese ganzen Kartons, meine Sachen. Alles war aufgeräumt.«
»Oh.« Alison wich ihrem Blick aus. »Ich war‘s jedenfalls nicht. Wie auch? Ich war ja gar nicht oben.«
Kate spürte, wie ihr Herz laut in der Brust schlug. Es mußte eine Erklärung geben. Dieses Kind oder ihr Bruder, einer von ihnen mußte es gewesen sein. Vielleicht hatten Greg oder dieser Computerfreak sich hier hereingeschlichen, während sie am Strand gewesen war, und hier alles in Unordnung gebracht. Sie drehte sich um und stieß die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf. Dort schien nichts angefaßt worden zu sein. Alles war so, wie sie es verlassen hatte.
Alison zog die Augenbrauen hoch, als sie sah, wie weiß Kates Gesicht war. Auch sie hatte Greg in Verdacht. Als sie ihn das letztemal gesprochen hatte, trug er sich mit dem Plan, Kate so viel Angst einzujagen, daß sie wieder auszog. Er war ganz begeistert von der Idee gewesen, Kate glauben zu machen, daß es hier spukte. Konnte er das alles
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