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Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde

Titel: Erskine, Barbara - Mitternacht ist eine einsame Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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wieder. Ich bin okay. Ich habe das Telefon, und sie haben alle Schlösser ausgewechselt. Bin also hinter Schloß und Riegel, wie im Gefängnis von Holloway, nur daß ich einen Schlüssel habe. Es waren wahrscheinlich ein paar Jungs aus der Gegend, die gedacht haben, daß das Cottage leersteht. Ich glaube nicht, daß sie wiederkommen.«
    »Was ist mit der Polizei? Geht es dir bestimmt gut? O mein Gott, Kate, wenn ich nur nicht so weit weg wäre.« Die Wärme seiner Stimme füllte die Küche. »Paß auf dich auf, mein Liebling, versprich mir das.«
    Sie legte nachdenklich den Hörer auf. Mein Liebling, hatte er sie genannt. Mein Liebling. Er liebte sie noch immer.
    Plötzlich bemerkte sie, daß draußen der Wind stärker wurde. Sie konnte das leise Stöhnen der Äste im Wald hören, aber es machte ihr nichts aus. Plötzlich spielte nichts mehr eine Rolle. Sie fühlte sich unerklärlich glücklich und behaglich. Im Wissen, daß ein ausreichender Vorrat an Brennholz in ihrem Karton lag, und mit einem nagelneuen Schloß und einem Riegel oben und unten an der Tür konnte sie sogar lächeln.
    Sie machte sich wieder an die Arbeit. Es war schwer, sich zu konzentrieren. In Gedanken kam sie immer wieder zurück zu Jon, aber dann nahm die Erzählung sie doch wieder gefangen, und sie versetzte sich zurück in die Kindheit ihres Dichters. Die Beziehung Catherine Gordons zu ihrem Sohn war ziemlich rätselhaft, ihre Liebe ebenso verdreht und deformiert wie der Klumpfuß des armen Kindes. Kate lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und kaute am Ende ihres Kugelschreibers. Eine Windbö traf das Cottage. Sie spürte, wie die Wände zitterten und hörte, wie plötzlich der Regen gegen das Fenster schlug, als sie sich nach vorn setzte, die Hände auf den Tasten, und weiterschrieb. Eine Minute später starrte sie voller Entsetzen auf den Bildschirm.
    Mögen die Götter dich bis in alle Ewigkeit verfluchen, Marcus Severus, und deinen fauligen Körper und deine verdorbene Seele richten für das, was du heute hier getan hast…
    »Mein Gott!« flüsterte sie. »O mein Gott!«
    Wieder traf ein Schlag die Fenster, und sie zuckte zurück, als ob sie es gewesen wäre, die der Wind und der Regen getroffen hatten. Sie machte rasch den Computer aus, als hätte sie Angst, er würde sie verbrennen, und schob den Stuhl zurück. Ihre Hände zitterten.
    Das habe ich nicht geschrieben.
    Aber sie hatte es geschrieben, wie ein Roboter, der ein Diktat aufnahm. Sie starrte im Zimmer herum. Es war sehr still. Die Bö hatte sich so schnell zurückgezogen, wie sie gekommen war, und die Nacht draußen war wieder lautlos. Alles, was sie hören konnte, war das Hämmern des Pulses in ihren Ohren. Sie packte ihren Kassettenrecorder, legte mit bebenden Händen eine Kassette ein und schaltete ihn an. Die Klänge von Sibelius füllten das Zimmer, als sie tief durchatmend hinüber zum Ofen ging, sich bückte und die Türen öffnete, um in die warme Glut der schwelenden Scheite zu starren.
    »Ich bin müde, nichts weiter«, flüsterte sie vor sich hin. »Es war ein langer Tag. Ich brauche Schlaf. Viel Schlaf.« Sie schenkte sich mit einer Hand, die immer noch zitterte, einen Whisky ein und stand, während sie ihn langsam schlürfte, mehrere Minuten vor dem Ofen.
    Nur ganz allmählich wurde ihr bewußt, daß sich jemand hinter ihr befand. Sie hielt den Atem an und wagte nicht, sich zu bewegen. »Alison?« Ihre Stimme klang heiser vor Anspannung. Es war eine Frau. Sie war sicher, daß es eine Frau war. »Alison, bist du das?« Langsam drehte sie sich um.
    Das Zimmer war leer. Sie starrte auf die geschlossene Tür. Im Lauf der Jahre hatte sie sich leicht verzogen, und sie war schon vertraut mit dem quietschenden Geräusch, wenn sie auf oder zu ging. Es war unverwechselbar œ und laut. Aber sie hatte sie nicht gehört.
    »Komm schon, Kennedy. Reiß dich zusammen.« Sie nahm einen weiteren Schluck von dem Whisky, spürte, wie seine Hitze ihr die Kehle verbrannte, wie er durch ihre Adern kroch. Er gab ihr den Mut, zur Tür zu gehen und sie aufzumachen. Die Diele draußen war menschenleer. Die Haustür war noch verschlossen und verriegelt. Sie hatte es gewußt, es war niemand da. Entschlossen ging sie die Treppe hoch, das Glas noch in der Hand, schaltete das Licht an und spähte in ihr Schlafzimmer. Es war leer. Das Zimmer war aufgeräumt. Einen Moment lang zögerte sie vor dem Abstellzimmer, dann holte sie tief Luft, stieß die Tür auf und machte das Licht an. Das Zimmer war so,

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