Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Sorgen.
Perlendes Klaviergeklimper rieselte aus goldenen Lautsprechern auf mich herab und stimmte mich versöhnlicher, während die Kassiererin das Wasser, das Croissant und ein dickes Rib-Eye-Steak einscannte. Das Steak hatte ich für Felix gekauft. Warum genau, konnte ich nicht sagen, vielleicht wollte ich mir damit irgendwie beweisen, dass er bald nach Hause kommen würde … und ich würde mir eine Schürze umbinden und es für ihn in die Pfanne werfen, ganz die liebende und verzeihende Freundin, und danach würden wir Versöhnung feiern, dass die Wände wackelten …
»Kommen Sie bitte mit in mein Büro«, sagte das kleine Männchen, das aus dem Nichts hinter der Kassiererin aufgetaucht war und mir jetzt zusah, wie ich meine Einkäufe in einer KaDeWe-Stofftasche verstaute.
»Kein Aufsehen bitte!«
Ich trapste benommen hinter dem Mann her, der in seinem lose sitzenden Anzug und mit dem steifen Gang aussah wie Rumpelstilzchen vor einem Bewerbungsgespräch. Ich hatte keine Ahnung, was er von mir wollte, war meine Kundenkarte nicht in Ordnung gewesen? Das hätte doch die Kassiererin gesagt, oder?
»Schwittke – Kaufhausdetektiv« stand auf dem Namensschild neben einer grau lackierten Tür, und anstatt mir den Stuhl vor dem unordentlichen Schreibtisch mit den vielen Monitoren anzubieten, hielt mir Herr Schwittke sofort ein kleines Zellophantütchen vors Gesicht.
»Kommt Ihnen das bekannt vor?«, bellte er mich an.
9
Zeit ist etwas Seltsames. Einerseits schlichen die Stunden, in denen ich auf ein Lebenszeichen von Felix wartete, dahin wie zäher Teer, andererseits waren die Tage fast zu kurz, um all das zu erledigen, was es im März immer zu tun gab. Die Kollektionen wechselten, die Frühlingsmode hing im Laden, die Sommerkollektion musste fertig produziert und Herbst/Winter dringend geplant werden. Außerdem nutzte ich die Gelegenheit, in Felix’ Abwesenheit endlich einmal gründlich auszumisten. So vergingen die Wochen wie auf einer viel befahrenen Autobahn – mal mit Vollgas, mal stockend. Das Einzige, was gleich blieb, war, dass Felix nicht da war. Er blieb untergetaucht, und ich wunderte mich jede Nacht, wenn wieder eine neu sortierte Kiste verstaut, wieder ein Müllsack vor die Tür gestellt war, wie man die Abwesenheit eines Menschen so deutlich spüren konnte. Ich war auch gar nicht richtig sauer, etwas in mir konnte sogar verstehen, dass Felix einmal eine Auszeit brauchte, aber mir war, als könnte ich es greifen, dass er nicht da war. Und deshalb hatte ich mich an diesem Wochenende zu Charlotte geflüchtet – die konnte ich wenigstens tatsächlich anfassen.
»Wie, du hast Hausverbot im KaDeWe?«
Die drei kleinen Zimmer unter dem Dach der Gründerzeitvilla waren von einem preußischen Architekten sicher einmal dafür geplant gewesen, Potsdamer Upper-Class-Kids zu beherbergen, aber Charlotte hatte daraus kurzerhand einen begehbaren Schrank, ein Ankleidezimmer und einen »Yogaraum« gemacht. In dem saßen wir jetzt auf seidenen Bodenkissen, die Fenster weit geöffnet, um die Sonne hereinzulassen, und tranken Zitronengrastee. Und einen Sonntagnachmittags-Martini. Schließlich gab es etwas Wichtiges zu besprechen. Irgendwann musste ich Charlotte ja mal von der leidigen KaDeWe-Episode erzählen.
»Ja, wegen Ladendiebstahls! Obwohl ich die Jelly Beans gar nicht geklaut habe, so etwas Ekliges würde ich nie klauen! Sondern weil ich eines davon vor Ort verzehrt habe! Aber ich konnte sie einfach nicht kaufen, verstehst du, die haben einfach zu grauenhaft geschmeckt!«
»Und jetzt?«
»Nun, der Detektiv wollte sofort fünfzig Euro Bearbeitungsgebühr und ein Geständnis von mir, und ich habe einfach alles verweigert. Nur als ich die Tüte gesehen habe, habe ich gerufen: ›Ach Gott, jetzt sagen Sie bloß, Sie haben die aus dem Mülleimer gefischt!‹ Und das, meint er, wäre Geständnis genug. Dann hat er meine Personalien aufgenommen und mir Hausverbot angedroht − nach einigen Wochen seien sie dann auch mit der Bearbeitung fertig, und ich bekäme das Ganze schriftlich −, obwohl ich darauf bestanden habe, dass diese Jelly Beans eine geschmackliche Fehlproduktion waren, ich weiß schließlich, wie meine Lieblingssorte schmecken müsste! Das hat er einfach ignoriert – und das Schlimmste ist, dass ich mich nach dieser Aktion wirklich gefühlt habe wie ein Schwerverbrecher. Meinem Vater werde ich das sicher nicht erzählen. Nur Felix, der würde sich sicher totlachen über so was.«
»Nun,
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