Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
KaDeWe. Für mich.
Ich blieb unschlüssig unter dem Lichthof stehen. Wegen Felix war ich noch nie hier gewesen, hatte ich noch nie hier sein müssen, hatte er doch nie etwas gemacht, was mich richtig traurig gemacht hätte. Und ich hatte bis heute Morgen auch gedacht, dass er das niemals tun würde.
Perfekt frisierte Frauen, Typ in die Jahre gekommene Zahnarztgattin, schwebten mit teuren Handtaschen an mir vorbei. Hatte ich mich nicht auch hierher geflüchtet, als mein Vermieter sich nicht an den Kosten der Ritterhüpfburg beteiligen wollte, die ich zum fünften Firmenjubiläum im Hof aufgebaut hatte, obwohl das meinem Vater nach einen eindeutigen Mehrwert für die im Haus wohnenden Familien bedeutet hatte? Und als die Stadt Berlin darauf bestanden hatte, dass ich die Erdbeeraufkleber, mit denen ich den Weg vom Spielplatz zu meinem Laden markiert hatte, vom Pflaster entfernen sollte?
Wegen Liebeskummer war ich allerdings noch nie hier gewesen. Liebeskummer hatte nämlich die letzten Jahre einfach nicht stattgefunden in meinem Leben.
Ein scheußliches Gefühl.
»Möchten Sie?«, fragte mich jetzt eine hübsche junge Türkin, die Augenbrauen perfekt gezupft und die schwarze Lockenmähne glänzend aus dem Gesicht geformt, und hielt mir eine Joop-Pumpflasche unter die Nase.
»Sehr erfrischend!«
»Äh, nein«, stotterte ich, ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten, »ich brauche erst mal eine andere Erfrischung, ich meine …«
»Möchten Sie einen Schluck Wasser?«, fragte mich das junge Ding besorgt. »Ist Ihnen nicht gut?«
»Nein, mir ist nur ein wenig schwindlig. Ich glaube, ich muss erst einmal etwas frühstücken!«
»Na, dann viel Spaß im sechsten Stock!«
Die Verkäuferin drückte mir sogar den Knopf des gläsernen Aufzugs, damit ich ganz nach oben in den Fresstempel fahren konnte.
»Wir grillen für Sie« stand in großen Buchstaben an einer Fleischtheke, als die Tür des Aufzugs sich wieder geöffnet hatte, und rot-weiß geädertes Fleisch grinste mir entgegen.
»Für mich sicher nicht!«, murmelte ich. Frühstückssteaks waren noch nie mein Ding gewesen. Die Austernbar ebenso wenig. Ich hatte trotzdem so unglaublichen Hunger, dass mir fast schon wieder übel war. Und so ging ich durch einen wabernden Sprühnebel an der Obst- und Gemüsetheke vorbei zum Brot und stelzte vorsichtig über die schwarz-weißen Fliesen, die sich unter meinem unsicheren Blick zu psychedelischen Mustern verzogen. Ich suchte mir ein knuspriges Croissant aus und stand dann unschlüssig an der verwaisten Feinkosttheke herum.
»Südafrikanische Springbocksalami haben wir im Angebot, nur fünf neunundneunzig die hundert Gramm«, bot mir der junge Weißkittel dahinter an, nachdem er mich eine Weile beobachtet hatte, wie ich abwesend in sein Angebot gestiert hatte. Ich war gar nicht richtig sauer auf Felix, nur wie vor den Kopf geschlagen, und zwar mit einem Vorschlaghammer, denn so schwindlig, wie mir nach wie vor war …
»Oder dieser Rohmilchkäse aus der Bretagne, Büffelmilch mit Bockshornkleesamen, ganz etwas Feines?«
»Ach nee, lieber nicht!«, dankte ich und schnappte mir eine Flasche Fiji-Wasser, trank sofort einen großen Schluck und machte noch einen Abstecher zu den bunten Plexiglasbehältern mit dem Süßkram, um meinen Vorrat an Jelly Belly Beans, den ich immer im Laden hatte, aufzufüllen. Ich ließ meine Lieblingssorte – lila, mit Traubengeschmack – in eine Tüte rieseln, eine Handvoll, zwei, drei, genug, und fuhr sofort mit der linken Hand in die Zellophantüte. Her mit dem zuckrigen Zeugs − ich musste unbedingt diese Kreislaufschwäche in den Griff kriegen! Ich tat so, als könnte ich mich nicht zwischen einem Limonenspray und einer Balsamicocreme entscheiden, und steckte mir eine der kleinen lila Böhnchen in den Mund. Fehler.
»Buäh«, verzog ich das Gesicht und sah mich vergeblich nach einer Möglichkeit um, mal eben auszuspucken. Die Dinger schmecken nicht nach süßem Aroma, sondern wie hart gekochte Eier! Mit Knoblauch! Unverschämtheit! Das musste eine Fehlproduktion sein! Ich spülte einen Schluck Wasser hinterher, und weil ich es nicht einsah, für so einen Mist auch nur ein bisschen Geld auszugeben, schlenderte ich durch die menschenleere Gewürzabteilung zur Kasse und versenkte die knisternde Zellophantüte samt der Beleidigung meiner Geschmacksnerven nonchalant in den goldenen Mülleimer neben dem Regal mit der Gänseleber. Und vergaß das Ganze sofort, ich hatte andere
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