Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
apropos Felix, hast du dem endlich mal die Meinung gegeigt? Oder ist der immer noch verschwunden? «
»Ich glaube, der steht einfach immer noch unter Schock, so wie der mich angefahren hat«, schilderte ich Charlotte zum zigsten Mal Felix’ Wandlung vom friedlichen Retriever zum knurrenden Bullterrier. »Seine Oma hat ihm unwahrscheinlich viel bedeutet, der trauert und muss jetzt einfach mal alleine sein. Das ist die erste Auszeit, die er sich seit sieben Jahren nimmt, das ist schon in Ordnung. Ich war ein paar Tage total durch den Wind, aber jetzt geht’s wieder. Felix ist bestimmt in München und regelt einfach nur den Nachlass.«
Der weiße Martini schmeckte nach Knoblauch, als hätte Charlottes Spülmaschine versagt. Ich schob ihn weit von mir und hob mir stattdessen Miu-Miu, Charlottes weiße Angorakatze, auf den Schoß. Ich bemühte mich in der Tat, gelassen hinzunehmen, dass mein Freund inzwischen fast einen Monat von der Bildfläche verschwunden war. Ohne Lebenszeichen, ohne mich zur Beerdigung einzuladen, ohne irgendetwas. Aber lieber einer, den der Tod eines geliebten Menschen total aus der Bahn warf, als einer, der sich noch am Totenbett ein Bier aufmachte und sich bei seinen Fußballfreunden nach dem letzten Bayernspiel erkundigte. Felix würde sich schon melden, er war schließlich die Verlässlichkeit in Person, und er liebte mich.
»Kann ich wenigstens die Wohnung renovieren, wenn er nicht da ist, erst gestern ist mir wieder aufgefallen, wie schäbig die Wände inzwischen aussehen. Felix soll sich ruhig erholen, der braucht seine Kraft für die Übernahme und seine Ausbildung zum Koch. Und wer weiß, vielleicht ist der Spargroschen von Oma Schweiger genau das, was uns fehlt, um mit Cesare einig zu werden.«
Miu-Miu schnurrte ekstatisch, als würde sie mir sofort alle ihre Sparmäuse zur Verfügung stellen, wenn ich sie nur weiter an der Kehle kraulen würde, und ich redete, als wäre alles in trockenen Tüchern. Dabei hatte ich mit Herrn Schweiger noch gar nichts besprochen und hielt Cesare seit einem Monat hin. Felix wusste immer noch nichts von dem, was in meinem Kopf herumspukte, nada, niente, nix. Wie auch?
»Ich bewundere deine Geduld«, sagte Charlotte und spielte an ihrem Perlenarmband. »Ich bin froh, dass Bernhard diese Teenagerallüren hinter sich hat.«
»Wieso Teenagerallüren? Alles, was Felix braucht, ist eine Auszeit nach einem schweren Schicksalsschlag!«, verteidigte ich ihn.
»Wie du meinst«, sagte Charlotte und warf erst einen skeptischen Blick auf mich und dann auf Miu-Miu, die inzwischen dazu übergegangen war, mir sabbernd ihr Hinterteil entgegenzustrecken, den Schwanz grazil zur Seite geringelt, »dann ist ja alles gut und er bald wieder zu Hause.«
»Genau«, sagte ich, schubste schwungvoll die zu allem bereite Mieze zur Seite, die sich daraufhin mit einem missmutigen Seitenblick sortierte und dann beleidigt aus dem Zimmer schlich, und angelte nach dem Magazin, dessen buntes Deckblatt mich unter einer englischen Elle schon die ganze Zeit auf dem kleinen runden Teakholztischchen mit dem silbernen Teeservice angelächelt hatte.
»Der Ikea-Katalog! Toll! Ich finde meinen nämlich nicht mehr!«, sagte ich begeistert – das fand ich jetzt in der Tat fabelhaft – und drückte das Heft fest an mich. »Kann ich den haben?«
»Ach nee, das ist mir jetzt eigentlich nicht so recht«, sagte Charlotte ohne nähere Angabe von Gründen. Sie war aufgestanden, weil es unten im Haus klapperte. »Sag bloß, Bernhard kommt schon?«
Damit war das Thema Ikea für sie erledigt. Ich warf den Katalog unwillig auf den Zeitschriftenstapel zurück. Als würde Charlotte in der piekfein eingerichteten Zockel-Villa irgendetwas von Ikea haben wollen! War das echte Freundschaft? Ich war plötzlich extrem verstimmt, außerdem war es längst Zeit zu gehen, ich wollte doch noch weiter aufräumen zu Hause! Ich drängelte mich beleidigt an Charlotte vorbei, um den rot eingefassten Sisalläufer auf der Eichentreppe nach unten zu laufen.
Dass unten an der Eingangstür ein erstaunter älterer Herr mit silbernen Schläfen und jugendlichem Polohemd stand, ignorierte ich und schob mich grußlos an ihm vorbei. Gut, dass er mir nichts hinterherrief, das war sicher der Zockel, aber ich wollte nach Hause, und zwar ganz plötzlich und sofort. Charlotte kann sich ihren Ikea-Katalog sonstwohin schieben, beschloss ich, sperrte meinen alten Volvo auf, der halb in der Rosenrabatte, halb auf dem Kiesweg stand, und
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