Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Spuren bei mir hinterlassen, und so raschelte ich durch dunkelbraun getrocknete Blätter und murmelte vor mich hin: »Diesen Bäumen geht’s nicht gut, die haben Schädlinge, Miniermotten … Da sollte wirklich einer was unternehmen, sonst sind in ein paar Jahren alle Kastanien in Berlin krank.«
Mein Rascheln wurde lauter und wütend.
»So wie Cesares Ziegen. Da sollte auch einer mal was machen! Und zwar ich! Und Felix!«
Ich stampfte auf, die verschlafenen Studenten um mich herum, die Pappbecher mit Kaffee vor sich hertrugen und denen schwere Büchertaschen an die Schenkel schlugen, sahen kurz auf und hasteten dann weiter. Ich murmelte vor mich hin: »Und wenn er nicht bald anruft, platzt mein Kopf.«
Abgesehen von der Unverschämtheit, die Felix’ Unerreichbarkeit mir gegenüber bedeutete − es wurde außerdem allerhöchste Eisenbahn, ihm von meinen geschäftlichen Übernahmeplänen zu erzählen, schließlich hatte ich bei Cesare immer vollmundig von »wir« gesprochen, als hätte ich eine Vollmacht über Felix’ Angelegenheiten. Ich wedelte den Perlenklimbim beiseite, mit dem Charlottes Ersatztelefon, das ich neben dem Kühlschrank wiedergefunden hatte, behängt war und versuchte es noch einmal auf Felix’ Handy. Nichts. Na gut. Biss ich eben in den sauren Apfel und rief bei seiner Mutter an.
»Wie war deine Premiere?«, eröffnete ich das Gespräch, Interesse heuchelnd. Krimi musste nicht unbedingt wissen, dass ich sie eigentlich nur fragen wollte, wo Felix war, war das doch eigentlich immer ihre Rolle gewesen.
»Entzückend, ganz außerordentlich entzückend, mein liebes Kind«, flötete meine zukünftige Schwiegermutter, »und ich habe auch eine ganz ausgezeichnete Geschäftsidee für dich! Burgls Sohn Walter und ihre Tochter Felicitas haben mich übrigens in die Oper begleitet, seltsam, dass die Kinder meiner Freundinnen immer Zeit haben, ihre alten Mütter in die Oper zu begleiten, aber ihr nicht, oder?«
Ein theatralischer Seufzer.
»Nun gut, Felicitas jedenfalls hatte ihr Baby mit dabei, die kleine Maus war mucksmäuschenstill und hat die komplette Aufführung verschlafen, wie mein lieber Pucki übrigens auch. Felicitas hat vor dem Stillen einfach ein Starkbier getrunken, das wirkt Wunder, ich verstehe gar nicht, wie sich die Mütter heutzutage aufregen können, dass ihre Kinder nicht schlafen, das ist doch alles kein Problem!«
Weil du das so gut beurteilen kannst, dachte ich grimmig, du hast erst gar nicht gestillt und Felix im Alter von zwei Wochen zu deiner Schwiegermutter abgeschoben, sagte aber: »Interessant, und was war jetzt deine Geschäftsidee?«
»Abendmode! Und zwar nicht nur für Kinder, sondern auch für – Hunde! Stell dir vor – wenn das Baby und mein Pucki den gleichen Minipashmina gehabt hätten, das wäre doch entzückend gewesen, findest du nicht? Und man kann doch sicher auch so Minifräckchen fertigen, komplett mit Fliege und Kummerbund – für Kinder und Hunde, im Set? Ist das nicht genial? Hier in der Residenzstraße würden die Leute dir das aus den Fingern reißen, ich weiß nicht, ob ich dir schon erzählt habe, dass Maßanzüge Eder von nebenan …«
»Danke, Krimi«, unterbrach ich sie schnell, »ich bin auf tragbare Alltagsmode spezialisiert, und ich weiß nicht, ob ich das ändern will, ich lass mir das mit der Abendmode durch den Kopf gehen.«
Und dann hatte ich plötzlich so eine böse Ahnung.
»Weißt du denn, wie es Oma Schweiger geht?«
»Nein. Das weiß ich nicht«, sagte Krimi kühl. »Ist Felix schon wieder bei ihr? Sollte ich da etwas wissen?«
»Nein, nein«, antwortete ich, »ich muss jetzt aber wirklich los!«
Und obwohl Krimi noch ins Telefon rief: »Habt ihr das mit Ostern und Kitzbühel …«, legte ich einfach entnervt auf. Mannomann. Dass sich die beiden Damen immer noch nicht vertragen konnten! Laut Felix war Krimis Verhältnis zu Oma Schweiger anfangs sehr gut gewesen, hatte Krimi, die dreiundzwanzig Jahre jünger gewesen war als ihr Mann, doch den geliebten Enkel Felix zur Welt gebracht und dann weitgehend der kinderlieben Oma Schweiger überlassen. Aber dann war Konrad Schweiger, Professor der Kardiologie und Felix’ Papa, mit Mitte fünfzig auf einer Opernpremiere einem Herzinfarkt erlegen. Und Oma Schweiger war felsenfest davon überzeugt, dass Krimi und ihre gesellschaftliche Ruhelosigkeit ihn ins Grab gebracht hatten.
»Ein Kardiologe, der an der Seite seiner Frau in aller Öffentlichkeit ausgerechnet an einem Herzinfarkt
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