Erst der Sex, dann das Vergnügen: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
stirbt, damit hat der Herrgott uns was sagen wollen«, pflegte sie stur das Thema Schwiegertochter zu beenden, sobald die Sprache auf Krimi kam. »Die kann der Teufel nicht derreiten, die hat so was – Ruheloses!«
Offensichtlich war Krimi laut Oma Schweiger ein ziemlich wilder Feger gewesen, und Felix’ Vater hatte sich mehr als einmal Sorgen machen müssen, ob seine junge Frau ihm auch tatsächlich treu war. Und als Frau Schweiger senior ihren einzigen Sohn verloren hatte, war für sie die Sache zwischen ihr und ihrer Schwiegertochter ein für allemal erledigt, und sie hörte noch vor Konrads Beerdigung auf, auch nur ein Wort mit Felix’ Mutter zu wechseln. Und schloss dafür ihren Enkel umso mehr ins Herz.
Ich versuchte es nochmals in Oma Schweigers Wohnung. Gut, dass ich die Nummer auswendig wusste, sie war nur sechsstellig, weil Felix’ Oma dort schon so lange wohnte.
»Ja …«
Eine müde Männerstimme. So früh morgens hatte ich eher die gebrochen deutsche Frauenstimme von Olga erwartet und war plötzlich ganz befangen.
»Felix! Endlich«, sagte ich leise, »was ist denn?« − und wusste plötzlich, was er antworten würde. Und als ich sein gepresstes Schluchzen hörte, fragte ich nur: »Sie ist gestorben, nicht wahr? Mein Ärmster. Mein armer, armer Schatz. Das tut mir leid.«
Ich lehnte mich an eine der rot-weiß gestreiften Absperrungen, die von irgendeinem Hauptstadtfest übrig geblieben waren, und versprach mit wieder fester Stimme: »Bis heute Abend kann ich in München sein!«
Charlotte würde heute Mittag mit ihrem Dreh fertig sein und dann auf den Laden aufpassen können. War ja völlig klar, dass ich meinen Freund, der bei seiner Großmutter aufgewachsen war und sie geliebt hatte wie eine Mutter, in dieser schweren Stunde nicht allein lassen würde.
»Nein!«, sagte Felix.
Ich ließ mich nicht beirren.
»Dauert das zu lange, mein Schatz? Ich kann auch sofort fahren, dann sperre ich einfach zu, Trauerfall in der Familie, da muss das schon mal drin sein!«
Ich gab meiner Stimme einen optimistischen Tonfall. Halt war das, was Felix jetzt brauchte, und den konnte ich ihm selbstverständlich geben.
»Nein. Ich meine nein wie: gar nicht. Du musst überhaupt nicht kommen«, antwortete Felix brüsk. Seine Stimme klang so fremd, dass ich automatisch den Mantel enger um mich zog.
»Ich weiß, dass ich nicht muss, aber ist doch völlig selbstverständlich, dass ich …«
»Komm nicht!«, sagte Felix.
»Aber …«
»Nein. Jetzt geht es ausnahmsweise einmal nicht um dich. Ich kann jetzt niemanden brauchen, der sich mit seinen Patentlösungen in den Mittelpunkt drängen will«, hörte ich noch und dann nichts mehr. Ich nahm das Handy vom Ohr, die gewählte Nummer war vom Display verschwunden und hatte sich in ein Foto von Bernhard Zockel in der Badehose verwandelt. Aufgelegt. Das hätte ich Felix nie zugetraut. Ich drehte mich um und suchte nach dem nächsten U -Bahn-Schild. Ich musste sofort ins KaDeWe, sonst fing ich hier auf offener Straße noch an zu heulen.
8
Andere Leute gingen morgens joggen, um Stress abzubauen, ich ging ins KaDeWe. Die glatten Säulen, der kühle Marmorboden, der sanfte Chor der Verkäuferinnen: Die Beautyabteilung im Erdgeschoss hatte auf mich die gleiche Wirkung wie der Mailänder Dom auf einen gläubigen Katholiken. Wenn irgendetwas nicht so lief, wie ich mir das erhofft hatte, dann flüchtete ich mich morgens hierher und stand oft schon vor zehn in der Tauentzienstraße herum, bis das Jugendstilgitter endlich wie von Zauberhand im Boden verschwand. Drinnen nahm ich dankbar duftende Papierstreifen entgegen und ließ mir von sanften Händen die Augenbrauen nachziehen, um mir dann das neue Shiseido-Eyebrow-Set für neunundachtzig Euro einpacken zu lassen, weil nirgendwo die Spiegel so gnädig mit einem umgingen wie in diesen indirekt ausgeleuchteten heiligen Hallen. War ich nicht das letzte Mal hier gewesen, weil mir meine Mutter zu Fasching ein Fresspaket mit Weißwürsten (mit der Post! Frische Weißwürste, nur in Wurstpapier eingewickelt! Zum Fasching, oder auch Karneval, der in Berlin sowieso niemand interessierte!) geschickt hatte, und das ich im gut besuchten Wunderland-Laden geöffnet hatte. Ich hatte nie zuvor gedacht, dass ich es jemals nötig haben würde, gegen den sich schlagartig ausbreitenden Verwesungsgeruch bei Rossmann ein Febreze-Spray zu kaufen. Und danach zur Beruhigung meiner Geruchsnerven ein abartig teures LaPrairie Body Spray im
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