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Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Erstens kommt es anders ... (German Edition)

Titel: Erstens kommt es anders ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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Blick ausschließlich auf die Häuserzeile gerichtet, die immer noch dort stand, wo Michael sie vor Wochen zurückgelassen hatte.
    Heute gab es leider kein Schauspiel. Um halb drei am Mittag schaltete kein Mensch das Licht ein. Und selbst wenn, hätten sie es wohl nicht erkennen können.
    Auch er schwieg, doch seine Gedanken befanden sich in einer irrwitzigen, niemals endenden Chaosschleife. Dies konnte es sein. Das, worauf er bereits so lange wartete, dass er nicht darüber nachdenken wollte, um welchen Zeitraum es sich genau handelte. Ihm erschien es jedenfalls wie mehrere Ewigkeiten. Und die waren bekannterweise jeweils verdammt lang.
    Irgendwann holte sie tief Luft. »Ich hatte es versprochen ...«
    Anstatt sie anzusehen, unternahm Michael die nächste Sozialstudie in Sachen Passanten am frühen Nachmittag in einer Einkaufspassage – Portland/Oregon.
    Viele Frauen mittleren Alters befanden sich darunter, Männer sah er eher vereinzelt und kaum ein Kind – die Schule war wohl noch nicht aus.
    »... du solltest der Erste sein, der es erfährt ...« Bisher hatte sie recht tonlos geklungen, doch jetzt lag unterdrückter Jubel in ihrer Stimme. »Ich bin das verdammte Haus endlich los!«
    Und Michael, der ewige Idiot, beging natürlich den Fehler und erwiderte ihren Blick. Ihre Miene wirkte offen, der Mund lächelte, die Augen waren groß, freudig und hoffnungsvoll. Aber wonach er so verzweifelt suchte, fand er nicht.
    Unter erheblichen Mühen zwang er sich zu einem Lächeln. »Ehrlich, das freut mich, Stevie. Wie viel?«
    Die Hoffnung in ihrem Blick schmälerte sich um ein beachtliches Stück. »Zehntausend nach Abzug von Maklergebühr und Steuern.«
    »Das ist fantastisch.«
    Sie nickte.
    »... dann bist du diesen Klotz am Bein endlich los.«
    »Ja.«
    »Hat ja lange genug gedauert.«
    Mittlerweile baten ihre Augen nicht mehr, sie flehten. Genial! »Ja ...«, wisperte sie.
    »Scheint fast so, als würde es langsam bergauf gehen.«
    »Michael ...«
    Verbissen ignorierte er ihre inzwischen nicht mehr unterschwelligen, sondern äußerst offensichtlichen Botschaften. »Und was du alles mit dem Geld anfangen kannst.«
    »Michael, bitte ...«
    »Fünfhundert neue weiße Blusen.«
    »Bitte ...« Jetzt ähnelte es einem Hauchen.
    »Was?« Interessiert musterte er sie.
    »Könnten ...« Sie verstummte, senkte den Blick und begutachtete angestrengt das Holz der Sitzfläche. Dann holte sie wieder tief Luft und sah auf. »Zwei Stunden? Freitags? Bitte?« Behutsam tastete sich ihre Hand zu seiner vor.
    Wie er reagieren musste, stand fest. Doch der einfache Weg erschien im Moment so verdammt verlockend und der richtige plötzlich so gnadenlos steinig und mühselig. Noch dazu, wo Michael nicht sicher sein konnte, überhaupt irgendwann ans Ziel zu gelangen. Aber schließlich riss er sich zusammen. Nein! Er würde nicht weich werden, das hatte er sich geschworen! Was sie wollte, lief nicht einmal annähernd mit seinen Zielen konform!
    Allerdings war Michael mittlerweile etwas entnervt. Vermutlich ahnte sie nicht mal, was sie allein mit ihrer bloßen Anwesenheit in ihm auslöste. Seit einem Jahr verzichtete er auf Sex! Wäre ihm das vor ein paar Monaten prophezeit worden, hätte er sich schon mal vorsorglich die Kugel gegeben. Dass er überhaupt noch lebte, entsprach demnach einem glatten Wunder.
    Inzwischen reagierte Michael auf Stevie, wie eine Biene auf den Honigtopf. Er lehnte diesen Kindergarten nicht nur ab, er konnte ihn gar nicht weiterführen! Denn dann würde er zwangsläufig die Regeln brechen und Dinge tun, die ja leider verboten waren. Selbst jetzt drohte er akut, die Beherrschung zu verlieren.
    Ständig wisperte dieses kleine aber unglaublich aufdringliche und überzeugende Stimmchen in seinem Kopf:
    Da! Sieh doch hin! Wenn du diese lächerlichen zehn Zentimeter überwindest, bist du am Ziel. Du erinnerst dich an sie, ja? Sanfte Lippen? Zierliche Finger in deinem Nacken? Weißt du noch, wie sie sich anfühlte? Wie wäre es denn mal mit etwas mehr? Also, du bist hier, sie ist hier ... und komm, Michael, machen wir uns nichts vor: Wenn sie meint, sie wolle einen Freund zum Händchenhalten, dann irrt sie sich gewaltig! Hast du eine Ahnung, wie lange sie schon allein ist? Neben dir sitzt ein Vulkan, der um den Ausbruch bettelt und das weißt du genau! Also verdammt noch mal! Jetzt leg endlich los und bring ihn zum Detonieren!
    Michael unternahm nichts in dieser Richtung. Obwohl ihn das in eine tiefe Glaubenskrise stürzte

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