Erstens kommt es anders ... (German Edition)
sich unvermutet neben ihn. Bereits zuvor hatte Michael sich gefragt, wie Diana ihn damals hier aufgegabelt hatte. Denn schließlich wusste niemand außer ihm und Stevie von ihrer Oase, was gleichzeitig deren Besonderheit und Einzigartigkeit ausmachte. Selbstverständlich stellte er die Frage nicht, denn das hätte nur wieder zu einem dieser überheblichen Blicke geführt, die ihn zunehmend bis zur Weißglut trieben. »Du weißt, dass demnächst der Ball ins Haus steht?«
Er sah sie nicht an. »Welcher Ball?«
Entnervt stöhnte sie auf. »Du weißt es also nicht ...«
»Diana könntest du dich bitte verständlich ausdrücken? Ich bin momentan für ein Quiz nicht in der geeigneten Stimmung.«
»Ja, weil du nichts unternimmst.« Gelassen hob sie die Schultern.
Schon war seine natürliche Geduldsgrenze ein weiteres Mal erreicht und er wurde laut. »Ich kann nichts unternehmen, kapiere das endlich! Und außerdem versuche ich wirklich alles, damit ...« Er verstummte, und verzog das Gesicht. »Vergiss es!«
»Ach, jetzt bin ich überrascht! Also die Nummer mit dieser seltsamen Braut – Moment, wie hieß sie doch gleich ...«
»Cassidy ...«, half er müde.
»Genau!« Begeisterung färbte Dianas Stimme. »Eine Affäre mit dieser unterbelichteten Cassidy soll dir also dabei helfen, Stevie ...«
Noch ein wenig müder versuchte er, diese unerträgliche Angelegenheit abzukürzen. »Ich habe nichts mit ihr.«
»Oh nein, Michael! Ich mag ja vielleicht dämlich sein ...«
Und endlich sah er sie an. »Ich habe nichts mit ihr!«
Der spöttische Gesichtsausdruck verschwand. Aufmerksam betrachtete seine Schwester ihn, die Augen verengten sich. Bestes Zeichen dafür, dass Diana soeben Blut geleckt hatte. Jetzt wollte sie es genau wissen. Verdammt! »Aber warum ...?« Da er nicht antwortete, fuhr sie fort. »Ich meine, hilf mir auf die Sprünge, aber das ist das Dämlichste, was du tun ...«
Derweil konzentrierte Michael sich auf das visuelle Schauspiel vor sich. Mittlerweile hatte er sich angewöhnt, die erleuchteten Fenster zu zählen und den Durchschnitt zu ermitteln, wie viele von ihnen stündlich gelöscht wurden. Verglich er die verschiedenen Wochentage miteinander, war er bald bei seiner nächsten Sozialanalyse angelangt:
Das seltsame Verhalten amerikanischer Großstädter in ihren eigenen vier Wänden.
»Also nehmen wir mal die Fakten ...« Diana befand sich mal wieder ganz in ihrem Element. Egal, ob er nun den Anschein erweckte, ihr zuzuhören oder nicht. Und so sehr Michael sich auch bemühte, er konnte sie nicht ganz ausblenden.
»Du sagst, du hast mit diesem aufgetakelten Riesenwal nichts am Laufen.« Er wusste, dass sie ihre Finger zum Einsatz brachte, und konzentrierte sich etwas stärker auf seine Fenstersozialstudie, nur um nicht versehentlich doch noch aus der Haut zu fahren.
»... du führst dich aber auf, als wäre sie ein wandelndes Potenzmittel – was übrigens langsam peinlich wird, aber das ist nur meine Meinung.«
Also am Wochenende gingen die Lichter bedeutend später aus.
»... und irgendwie soll Stevie ...«
Ergeben schloss Michael die Augen. Drei – Zwei – Eins ... Diana holte hörbar Luft.
Null!
»Du bist ja noch dümmer, als ich jemals geahnt habe!« Diana schien nicht zu stören, dass inzwischen jeder im Umkreis von einhundert Yards zu ihnen sah. Die brüllte munter weiter. »Wie kannst du glauben, mit einer derart dämlichen Vorstellung ...«
Laut schnappte sie nach Luft – was jedoch keineswegs Entwarnung bedeutete. Diesbezüglich kannte Michael sich bestens aus ...
»... eifersüchtig will er sie machen!«
Offenbar unterhielt Diana sich jetzt mit den Leuten innerhalb eines Einhundert-Yard-Radius. Und sie setzte alles daran, dass auch dem Letzten, ganz weit hinten, nichts von ihrem Monolog entging.
»... Du bist so bescheuert, das funktioniert nie!«
Und jetzt genügte es ihm doch. Sein Kopf fuhr zu ihr herum und er knurrte dumpf. »Es ist meine einzige Chance, Diana. Also halt endlich deine Klappe! Ich habe genug Probleme, klar?«
Neben all dem, was sein Leben in der Zwischenzeit ausnehmend lächerlich machte, gab es dennoch seinen neuen Fall. Und der war durchaus kompliziert, auch wenn seine Mandantin möglicherweise nicht einmal wusste, wie dieses Wort buchstabiert wurde. Denn Cassidy hatte sogar genau das getan, was ihr vorgeworfen wurde.
Staatsanwalt Nick, der mitten im Wahlkampf steckte, unternahm nicht die geringsten Anstalten, sich auf irgendwelche Absprachen
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